„Aus dem Zelt in den Winterwald“

Nach Schierke im Harz kommen auch im Winter Camper, manche sogar mit dem Zelt. Einige wollen nur ihre Ausrüstung testen, sagt Campingplatzbesitzer Ingo Nitschke, andere wollen einfach aus dem kuschligen Schlafsack in die Winterwelt kriechen

INGO NITSCHKE, 47, ist im Hauptberuf Techniker auf der Wetterwarte Brocken des Deutschen Wetterdienstes.

INTERVIEW ROBIN RIEPRICH

taz: Herr Nitschke, liegt bei Ihnen im Harz schon Schnee?Ingo Nitschke: Wir haben hier seit knapp vier Wochen schöne winterliche Verhältnisse. Wir hatten schon etwa 40 Zentimeter Schnee, jetzt hat es ein bisschen getaut, aber die Loipen sind schön eingeschneit.

Wie viele Gäste haben Sie denn gerade auf Ihrem Campingplatz?

Im Moment nur einen. Aber vor Weihnachten gibt es immer ein Loch, das ist jedes Jahr um diese Zeit so. Ab nächster Woche sind wir dann wieder fast ausgebucht. Wir sind ein kleiner Campingplatz mit 32 Stellplätzen für Caravans und noch einmal so vielen für Zelte. Ein paar ganz Hartgesottene kommen auch mit Zelt.

Warum tun die sich das an?

Das sind eben Outdoor-Freaks, die bei jeder Witterung im Zelt schlafen. Viele sind Wintersportler. Die meisten sind gut ausgerüstet, jung und sportlich. Es gibt ja Schlafsäcke, die bis Minus 20 Grad warm halten. Nur manchmal muss man leider ja auch raus aus den Schlafsäcken.

Ist es „cool“ Wintercamper zu sein?

Vielleicht. Viele kommen aus dem Flachland und wollen nur mal erleben wie das ist, früh aus dem Zelt zu kriechen und im Winterwald zu stehen. Wir haben hier aber auch Gäste, die ihre Ausrüstung testen wollen. Leute, die ins Himalaja wollen oder auf den Kilimandscharo.

Warum sind Wintercamper bereit, auf den Komfort im Hotel zu verzichten?

In den Hotels bekommt man das Frühstück vorgesetzt, ist an bestimmte Zeiten gebunden, man kann nicht abends gemütlich in der Jogginghose herumlaufen. Man hat ein bisschen mehr persönliche Freiheit. Und der Kontakt zwischen den Campern ist auch wichtig. Die bauen zusammen Schneemänner oder Iglus, in denen die Kinder spielen können. Abends machen sie Fackeln an und trinken zusammen Glühwein. Manchmal schnappen sich die Gäste den Schneeschieber. Für uns ist es eine Last, die Gäste freuen sich darüber wenn sie Schneeschieben können. Das sind alles Sachen, die man im Hotel nicht hat.

Was sind die Tücken des Wintercampens?

Die Kälte und der Schnee. Eingefrorene Abwasserleitungen. Wir hatten es auch schon öfters, dass Gäste mit ihren Autos nicht mehr die vereiste Steigung hier auf den Platz heraufkommen. Wenn die Gäste sich gut verstehen, wird mit angepackt, aber wenn es ein hochnäsiger BMW-Fahrer war, dann stehen sie schon mal eine Weile mit verschränkten Armen dort, bevor sie helfen. Das ist nun mal so, wenn Schnee liegt, liegt Schnee. Wir werden uns hüten, den Platz mit Salz einzukleistern. Man muss eben im Winter besser ausgerüstet sein. Schneeketten und Winterausrüstung für die Fahrzeuge, ein wintertauglicher Caravan.

Ist Wintercamping eine Modeerscheinung?

Wir sind ein relativ junger Platz, uns gibt es erst seit sechs Jahren. Die Besucherzahlen nehmen zu, im Winter aber auch im Sommer. In den letzten Jahren haben die Medien das Thema aufgegriffen. Es stehen hier öfter mal Fernsehteams auf der Matte. Darüber sind wir natürlich nicht böse, denn Campen im Winter ist ja auch eine schöne Sache.

Macht sich das Fernsehen über die exotischen Wintercamper lustig?

Nein. Camping ist bei uns nicht so, wie es oft im Fernsehen dargestellt wird. Wir haben keine Dauercamper. Es ist eher klein und familiär. Und es ist das Abenteuer im Schnee zu sein.

Glauben Sie, die Deutschen fahren eher in den Harz, als das Weite zu suchen, weil sie weniger Geld als früher für Urlaube haben?

Die Spritpreise im letzten Sommer hat jeder noch in Erinnerung. Es gibt viele Gäste, die sich fragen: „Warum sollen wir nach Skandinavien, wenn wir das gleiche genau vor der Nase haben?“ Wir haben hier viel Wald, ein paar Huskies und ein tolles Panorama. Die Spritpreisentwicklung ist für die deutsche Campingbranche sicher kein Nachteil.

Campen viele, weil Hotels und Pensionen zu teuer sind?

Das Anschaffen der Ausrüstung ist natürlich auch teuer. Aber wenn man erst einmal die Grundausrüstung hat, ist das Campen eine preisgünstige Alternative Urlaub zu machen.

Der Campingplatz „Am Schierker Stern“ ist ganzjährig geöffnet. Informationen unter www.harz-camping.com