Lauter falsche Kunden

Gewerkschaftliche „Flash-Mob“ Aktionen während eines Einzelhandels-Streiks sind zulässige ergänzende Arbeitskampfmittel und keine rechtswidrigen Sabotageakte

„Ach du Scheiße“, denkt Sonja*, als sie an diesem Tag bei ihrem Job erscheint. Sonja ist Kassiererin in einem Real-Markt in Hamburg St. Pauli. „Streik!“ steht auf den Plakaten der Gewerkschaft Ver.di und ihre KollegInnen stehen schon mit übergestülpten Streiktüten vor den Eingängen. Sonja fühlt sich ihren KollegInnen verpflichtet – bei aller Skepsis. „Der Filialleiter hat doch bestimmt schon vorgesorgt und die Leute von der Leiharbeitsfirma geordert“, grummelt sie genervt ihre Kollegin Sabine* an.

Doch Sabine grinst nur verschmitzt zurück. „Darüber haben wir beim letzten Heimspiel in der Kneipe diskutiert“, berichtet der FC St. Pauli-Fan. „Die Jungs aus der Clique werden uns unterstützen.“ Tatsächlich steht auf der Ver.di Homepage ein Aufruf der Fan-Gemeinde, „in der Vorweihnachtszeit doch die netten Verkäuferinnen aus unserem Real-Markt“ zu unterstützen. „Gib uns deine Handy-Nummer, um zu einem über SMS gesendeten Zeitpunkt in der bestreikten Filiale gezielt einzukaufen“, ist dort zu lesen. „Dann blockieren viele Leute mit Pfennigbeträgen den Kassenbereich, während andere ihre Einkaufswagen voll packen und dann stehen lassen – keine Frischware!“ Die Aktion zeigt Wirkung, es herrscht mittleres Chaos. Der Marktleiter schäumt.

Ein Berliner Einzelhändler klagte vorm Arbeitsgericht. „Keine unzulässige Betriebsblockade oder Sabotageaktion“, hat nun das Landesarbeitsgericht Berlin entschieden. Die Grenze der „Kampfparität“ sei durch solche Aufrufe jedenfalls dann nicht überschritten, wenn die Wirkung des Streiks durch den Einsatz von Leiharbeitskräften ausgehebelt wurde und der Streik in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wird, befanden die Richter. Der Gefahr eines „erhöhten Exzessrisikos“ durch die Einbeziehung von Nichtmitgliedern könne die Gewerkschaft durch „umsichtige Vor- und Nachbereitung“ entgegenwirken.

„Wir haben in Hamburg immer gesagt, dass sich Aktionen dieser Art nicht gegen die Leiharbeitnehmer, sondern gegen den Arbeitgeber richten“, sagt Ulrich Meinecke, Ver.di- Fachbereichleiter Einzelhandel. „Flash-Mob“-Aktionen, bei denen Gruppen per Handy koordiniert agieren, seien insbesondere in Real-Filialen angewandt worden. „Wir werden diesen phantasievollen Weg und das Kampfmittel auch in Zukunft nutzen“, sagt Meinecke.MAGDA SCHNEIDER

* Namen von der Redaktion geändert