Im Volkszorn schließt Stoiber zu Schröder auf

Selbst die kommunalen Arbeitgeber und der CSU-geführte Städtetag finden seine Vorschläge fragwürdig

MÜNCHEN taz ■ Das mit der Kanzlerschaft hat damals ja haarscharf nicht geklappt für Edmund Stoiber. Da mag es den bayerischen Ministerpräsidenten freuen, dass er sich in Bayern allmählich so fühlen kann wie Gerhard Schröder im Bund. Seit Stoiber einen radikalen Sparkurs über den Freistaat verhängt hat, sind so ziemlich alle gegen ihn: die Lehrer, die Förster, die Polizisten, die Studenten, die CSU-Fraktion im Landtag – und jetzt auch noch der Kommunale Arbeitgeberverband (KAV) und der Bayerische Städtetag.

Stoiber hatte die Kommunen aufgefordert, dem Beispiel der Landesregierung zu folgen und alle Verhandlungen mit der Gewerkschaft Ver.di zu beenden – damit eine Arbeitszeit von 42 Stunden nicht nur bei den Staatsdienern, sondern auch für die Arbeiter und Angestellten der Kommunen durchgesetzt werden könnte. Von diesem forschen Anliegen zeigte sich allerdings Josef Deimer (CSU), Präsident des Bayerischen Städtetages, geradezu „peinlich berührt“. Es sei, so Deimer, „sehr leichtsinnig, sich so zu äußern“. Und: „Tarifverträge sind eine Partnerschaft, die man nicht so einfach vom Tisch wischen kann.“ KAV-Geschäftsführer Armin Augat bezweifelt zudem, dass Stoibers Forderungen nennenswerte Einspareffekte bewirken würden. Schließlich würde eine 42-Stunden-Woche – ebenso wie bei den Beamten – nur für neu eingestellte Arbeitnehmer gelten. Die Zahl der Neueinstellungen und die Fluktuation sei jedoch so niedrig wie selten.

Städtetag-Präsident Deimer befindet mit Blick auf die Gesamtlage der Kommunen: „Wir bauen ohnehin Stellen ab.“ Statt einer bloßen Verlängerung der Arbeitszeit samt Kündigung aller Tarifverträge, da sind sich die beiden Spitzenvertreter der Kommunen einig, müsse eine Steigerung der Arbeits-Effizienz und eine Modernisierung des Tarifrechts erfolgen. Das aber, sagen Deimer und Augat unisono, sei nur gemeinsam mit den Gewerkschaften zu erreichen.

Dieser Widerstand von ungewohnter Seite verdeutlicht, dass Stoiber in seinem Bemühen, bei allen Reformvorhaben in Bund und Land möglichst weit vorneweg zu preschen, mitunter die Stimmung im eigenen Lager völlig falsch einschätzt. Selbst Arbeitgeberverbänden sind die Gewerkschaften nicht nur als böse Bremser zu verkaufen – zumal die Massendemonstrationen der vergangenen Tage, die auch München erreichten, die von Konservativen gern bezweifelte Bedeutung von Ver.di oder DGB unterstrichen haben.

Das musste auch Stoiber einsehen, der nun zurückrudert und am Montag plötzlich verkündete, dass er Gespräche mit den Gewerkschaften über eine Verlängerung der Arbeitszeiten keinesfalls ausschließe – sofern diese „zu einer realistischen Einschätzung der Lage zurückkommen“. Wie Stoiber eben.

JÖRG SCHALLENBERG