Verbrannt im Feuer des Terrors

Bei den Nazis brannten vor 70 Jahren auch die Schriften des Friedensnobelpreisträgers Carl von Ossietzky. In St. Georg erinnern Platz und Gedenktafel an den großen Hamburger, der 1938 an den Folgen der KZ-Haft gestorben ist

Erinnerungen inmitten des Terrors: „Hamburg ist schön um diese Jahreszeit“

von BERNHARD RÖHL

Am 10. Mai vor 70 Jahren ließ Reichspropagandaminister Joseph Goebbels auf dem Opernplatz in Berlin 20.000 Bücher verbrennen. Am 15. Mai marschierten am Hamburger Kaiser-Friedrich-Ufer Mitglieder des SA-Studentensturms 6/76, die Hochschulgruppe des reaktionären Stahlhelm und Burschenschaftler auf, um auch in Hamburg die Werke demokratischer AutorInnen ins Feuer zu werfen.

Offensichtlich erschienen an diesem Montag nicht genug Zuschauer, daher setzten die Faschisten eine weitere Aktion „wieder den undeutschen Geist“ an, um weitere Bücher zu verbrennen – diesmal auf dem Gelände am Lübecker Tor. Am 20. Mai marschierten Tausende von Angehörigen der braunen Organisationen in St. Georg auf.

In der Grünanlage am Isebekkanal des Kaiser-Friedrich-Ufers, Ecke Heymannstraße erinnert seit 1983 ein Mahnmal an die Geschehnisse dieser Tage vor 70 Jahren. In einem erhöhten Halbkreis aus Stein sind vier rote Marmorblöcke eingelassen. An den Blöcken sind Titel verbrannter Bücher und eine Auswahl betroffener AutorInnen angebracht. Einer der AutorInnen ist der Nobelpreisträger Carl von Ossietzky, der in Hamburg zur Welt kam.

Ossietzky wurde am 3. Oktober 1889 in der Großen Michaelisstraße 10 geboren. Sein Vater starb, als sein Sohn zwei Jahre alt war, an Herzversagen. Der Junge besuchte die Rumbaumschule in der Caffamacherreihe. „Eine Fahrt auf der Alster“ lautete damals einer der Prüfungsaufsätze. Darin schrieb Ossietzky: „Da bietet nun Hamburg eine reizvolle Abwechslung: die Alster. Jedem ist sie lieb und wert – schon ihrer Lage halber. Welche Großstadt bietet wohl solche Schönheiten? Wie wohltuend wirkt der Anblick der klaren Wasserfläche, wenn wir aus dem Häusermeer hinausgelangen. Wir bestiegen ein Dampfboot, nachdem wir den Jungfernstieg mit seinen herrlichen Gebäuden und Promenaden verlassen haben. Bietet schon die Binnenalster ein ungemein reizvolles Bild, so sind doch alle freudig überrascht, wenn nach dem Passieren der Lombardsbrücke die Außenalster wie ein See vor ihnen liegt. Schöne grüne Ufer mit prunkvollen Häusern grüßen von beiden Ufern. Auf dem Wasser selbst, welch buntes Bild!“ Diesen Text schrieb der Schüler kurz vor dem 18. Geburtstag. Sein Biograf Kurt Grossmann schrieb darüber: „Diese ‚Fahrt auf der Alster‘ ist wohl die erste erhalten gebliebene Schilderung des heranwachsenden Ossietzky.“

Im Jahr 1898 hatte die Mutter den Bildhauer und Holzschnitzer Gustav Walther geheiratet, der Mitglied der SPD war. Der Junge und sein Stiefvater verstanden sich gut, gemeinsam besuchten sie Versammlungen mit August Bebel und Bertha von Suttner. Bis zum Jahr 1907 absolvierte er eine Kaufmannslehre. Ossietzky arbeitete anschließend als „nicht fest angestellter Hilfsschreiber“ bei der Hamburger Senatskommission für Justizverwaltung.

Im Jahr 1912 lernte er die Engländerin Maus Hester Lichfield-Woods in einem Café am Dammtorbahnhof kennen. Ein Jahr später heirateten die zwei in England. In der Schmilinskystraße in St. Georg bezogen die beiden ihre erste Wohnung. Heute erinnert eine Gedenktafel daran.

1916 erhielt er den Einberufungsbefehl als Weltkriegssoldat, der er zwei Jahre blieb. 1919 gehörte er nach der Novemberrevolution dem Arbeiter- und Soldatenrat an und arbeitete gleichzeitig als Verlagslektor im Hamburger Pfadweiser-Verlag. Im selben Jahr zog er nach Berlin um und wurde Sekretär der Deutschen Friedensgesellschaft. 1920 erschien sein erster Beitrag in der berühmten „Weltbühne“ des Siegfried Jacobsohn, dessen Herausgeber Ossietzky am 11. Oktober 1927 wurde.

Im Mai 1932 musste der Autor eine Gefängnisstrafe von 18 Monaten antreten, weil die „Weltbühne“ 1929 einen Beitrag mit der Überschrift „Windiges aus der deutschen Luftfahrt“ veröffentlichte. Der Journalist Walter Kreiser schilderte darin, dass die Reichswehr in der Sowjetunion mit Hilfe der Roten Armee eine Luftwaffe aufbauen wollte. Das Gericht verurteilte den Herausgeber dafür wegen „Landesverrats und Verrats militärischer Geheimnisse“.

Nach dem Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933 kerkerten ihn die Nazis endgültig ein: Seit Februar 1934 befand sich Ossietzky im Konzentrationslager Papenburg-Esterwegen im Emsland. Inmitten des Terrors schrieb er am 13. Mai des Jahres an seine Frau über seine Erinnerungen an seine Heimatstadt: „Hamburg ist schön um diese Jahreszeit, ich erinnere mich sehr gut an die Gärten an der Alster.“ Seine Frau wohnte zu dieser Zeit am Mundsburger Damm 47 in der zweiten Etage, an diese Adresse ging auch die Post des Häftlings an seine Frau.

Die Leiden im Lager und die offensichtliche Injektion von Tbc-Bazillen schwächten die Gesundheit des Journalisten, der ohne Urteil eingesperrt war. Da im Mai 1936 offene Tbc festgestellt wurde, kam von Ossietzky in das Staatskrankenhaus der Polizei in Berlin. Auch hier blieb er ein Gefangener – auch als ihm am 23. November 1936 der Friedensnobelpreis verliehen wird. Ossietzky durfte nicht ausreisen, um den Preis entgegen zu nehmen. Am 4. Mai 1938 starb Ossietzky an den Folgen der Haft.

Die Uni-Bibliothek trägt seit 1982 seinen Namen. In St. Georg erinnert der Carl-von-Ossietzky-Platz an den Autoren, der Einwohnerverein des Stadtteils sorgte mit einer Unterschriftensammlung dafür, dass der Senat diese Würdigung vornahm.