Strafanzeige gegen argentinische Militärs

1976 verschwand eine deutsche Studentin in La Plata – jetzt belasten sechs Zeugen die einstigen Junta-Mitglieder

BERLIN taz ■ Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) nahm die Strafanzeige persönlich entgegen. Überreicht wurde sie im Rahmen des Kirchentags vom argentinischen Pfarrer Arturo Blatezky und dem EKD-Auslandsbischof Rolf Koppe. Ihr Vorwurf: 33 ehemalige argentinische Militärs hätten sich wegen Mord, Geiselnahme und gefährlicher Körperverletzung zu verantworten. Denn im September 1976 war die damals 23-jährige deutsche Medinzinstudentin Marlene Kegler-Krug in der argentinischen Universitätsstadt La Plata spurlos verschwunden. Doch erst jetzt gelang es Pfarrer Blatezky, sechs Zeugen ausfinden zu machen, die damals mit Krug im geheimen Folterlager „Pozo de Arana“ bei La Plata festgehalten worden waren. Auch der ehemalige argentinische Juntachef Jorge Videla gehört zu den 33 Verdächtigen, die die Strafanzeige aufzählt.

Damit ist bei der deutschen Justiz die 40. Strafanzeige eingegangen, die sich gegen die argentinische Militärjunta von 1976 bis 1983 richtet. Gestellt wurden sie alle von der „Koalition gegen die Straflosigkeit“, in der sich Anwälte und Menschenrechtsorganisationen zusammen geschlossen haben. In bislang drei Fällen hat das zuständige Amtsgericht Nürnberg internationale Haftbefehle ausgestellt.

Ein solcher Haftbefehl soll nun auch gegen Exjuntachef Videla erwirkt werden – mithilfe eines neuen Gutachtens des Max-Planck-Instituts für internationales und ausländisches Strafrecht. Morgen will der Rechtsanwalt der Koalition, Wolfgang Kaleck, im Bayerischen Justizministerium das Ergebnis vortragen: „In den SED-Politbüro-Prozessen hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass Schreibtischtäter unmittelbar strafrechtlich auch für Einzeltaten verantwortlich gemacht werden könnten.“ Entsprechend müsste es auch bei den argentinischen Exmilitärs ausreichen, ihre Beteiligung an der Konzeptionierung der Folterlager und den Repressionen nachzuweisen. Diese Rechtsauffassung hat die Koalition auch schon beim Auswärtigen Amt vorgestellt. Dort gibt man sich ebenso kooperativ wie im Justizministerium. Vertreter der Bundesregierung legten vor kurzem Rechtsmittel gegen die Weigerung der argentinischen Regierung ein, namentlich bekannte Täter nach Deutschland auszuliefern.

Allerdings scheint es Hinweise zu geben, dass sich die Bundesregierung nicht immer so deutlich von der Militärjunta distanziert hat. Im Dokumentarfilm „Verschwörung des Schweigens“, den Arte am Mittwoch ausstrahlt, wird der deutsche Exbotschafter in Argentinien mit den Worten zitiert, dass der damalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher per „Geheimerlass“ verhindert habe, dass die Öffentlichkeit umfassend über das Schicksal der verschwundenen deutschen Staatsbürger informiert wurde.

HEIKE KLEFFNER