„Es kommen die fünf Prozent Besten“

Deutschland ist das wichtigste Land für osteuropäische Studierende, die ins Ausland wollen, meint Thomas Prahl, Referatsleiter für Mittel- und Osteuropa beim DAAD. Umgekehrt hat der deutsche Nachwuchs noch viele Vorurteile

taz: Herr Prahl, sind die osteuropäischen Studierenden höher motiviert als deutsche?

Thomas Prahl: Insgesamt sind die meisten Osteuropäer fachlich etwas besser. Wegen der Eingangsprüfungen zum Studium findet dort noch immer ein harter Konkurrenzkampf um die Studienplätze statt. Und diejenigen, die hierher zu einem Studienaufenthalt kommen, sind die 5 bis 10 Prozent Besten eines Jahrgangs. Sowohl was die Leistungsfähigkeit betrifft als auch die Mobilität.

Was treibt die Osteuropäer an die deutschen Unis?

Die einen wollen in die renommierte Fachrichtungen rein, in denen Deutschland noch immer mit führend in Europa ist: Wirtschaftswissenschaften, Rechtswissenschaften, Naturwissenschaften. Die zweite große Gruppe sind diejenigen, die sich bessere Arbeitschancen auf dem heimischen Arbeitsmarkt ausrechnen. Etwa in Joint-Ventures zwischen einheimischen und deutschen Firmen. Auch die Parteiapparate und die Verwaltung richten sich jetzt in den Beitrittsländer international aus.

Verbessert ein Studienaufenthalt tatsächlich die Chancen?

Ja. Die Nachfrage nach Leuten, die sich in Westeuropa und auch in Deutschland auskennen, wächst noch immer. In Osteuropa entstehen momentan viele kleine Unternehmen, die sich exportorientiert nach Westen wenden, und dann natürlich als Erstes nach Deutschland.

Und der deutsche Arbeitsmarkt?

Also, die wollen sicherlich nicht in der Masse hier arbeiten. Das ist ein Gerücht, das irgendwann mal entstanden ist, um die Leute vor der Osterweiterung abzuschrecken.

Ist Deutschland das wichtigste Ziel für ein Auslandsstudium?

Viele träumen vom gelobten Land: den USA. Aber in der Realität ist Deutschland immer noch mit Abstand das wichtigste Land. Die Hälfte der Polen lernt ja in der Schule Deutsch als erste oder zweite Fremdsprache. Und die USA sind extrem weit weg und einfach zu teuer. Außerdem gibt es hier bereits eine sehr große Community von Osteuropäern.

Der DAAD fördert auch Studienaufenthalte im Osten.

Nur 4.000 bis 5.000 Studierende gehen pro Jahr aus Deutschland nach Osteuropa. In vielen Köpfen bestehen noch Vorurteile: Da sei es kalt und nass, da funktioniere nichts. Tatsächlich beantragen dann viele, die im Osten studiert haben, eine Verlängerung.

INTERVIEW: WIBKE BERGEMANN