„Die Industrie entwickelt sich prächtig“

Der DIW-Experte Karl Brenke plädiert für eine verstärkte Infrastrukturförderung. Von der Debatte über Sonderwirtschaftszonen hält er wenig

taz: Herr Brenke, bislang wurde viel diskutiert, aber passiert ist wenig. Bringen Sonderwirtschaftszonen Ostdeutschland wirtschaftlich voran?

Karl Brenke: Das Thema Sonderwirtschaftszone ist schon seit zehn Jahren in der Debatte, aber es fehlt an inhaltlicher Präzision. Außerdem muss man feststellen, dass es in Ostdeutschland schon Elemente einer Sonderwirtschaftszone gibt. Wir haben eine besondere Unternehmensförderung, eine besondere Infrastrukturförderung. Und der Arbeitsmarkt ist insofern weitgehend dereguliert, als die Tarifbindung nur noch schwach ausgeprägt ist.

Insgesamt hat dies aber nicht den erhofften Aufschwung gebracht.

Das muss man differenziert betrachten. Zwar leidet die Baubranche und drückt damit das Gesamtwachstum nach unten, aber die Industrie entwickelt sich trotz schwieriger Konjunktur prächtig. Sechs Prozent Zunahme in den neuen Bundesländern sprechen für sich. Und die Industrie ist ein Schlüsselsektor, weil sie neben industrienahen Dienstleistungen und Tourismus dazu beiträgt, dass Einkommen aus anderen Regionen nach Ostdeutschland fließt.

Könnte dies verstärkt werden, etwa indem steuerrechtliche Sonderbedingungen eingeführt werden?

In Ostdeutschland gibt es ohnehin relativ geringe Steuereinnahmen. Würden sie weiter gesenkt, müsste dies vom Westen getragen werden. Außerdem würden Steuersenkungen zu Mitnahme-Effekten führen, die man heute kaum abschätzen kann. Wirtschaftliche Aktivitäten würden auf dem Papier nach Ostdeutschland verlagert, nur um Steuern zu sparen. Es entstünden Briefkastenfirmen, aber keine Arbeitsplätze.

Was brächten weitere Deregulierungen auf dem Arbeitsmarkt?

Ein Punkt, der gern genannt wird, ist die Abschaffung des Kündigungsschutzes. Wissenschaftlich gibt es allerdings keinen Beleg dafür, dass dies zusätzliche Arbeitsplätze bringt.

Sonderregelungen wären schwierig mit dem EU-Recht vereinbar.

Das müsste man im Einzelnen prüfen. Ostdeutschland wird ohnehin in großem Maße unterstützt, bei der Unternehmensförderung sind wir längst an die EU-Decke gestoßen.

Was müsste stattdessen für den Aufbau Ost getan werden?

In der Diskussion müsste viel mehr Wert darauf gelegt werden, dass wir bei der Erneuerung der Infrastruktur vorankommen.

Große Infrastrukturprojekte wurden in Angriff genommen. Salopp gesagt, was nützen neue Verkehrsverbindungen, wenn sie keiner nutzt?

In Ostdeutschland gibt es das gleiche Wachstumsproblem wie im Westen. Der private Konsum ist zu schwach, und die staatlichen Maßnahmen wirken konjunkturdämpfend. Einzig der Export trägt, aber das reicht nicht.

INTERVIEW: RICHARD ROTHER