Gelbe Engel verteufeln Kralle

Finanzverwaltung will Steuersünder testweise per Wegfahrsperre zur Zahlung zwingen. ADAC wittert Nötigung und kündigt Klage an. Zwangsmaßnahme sei nur bei säumiger Kfz-Steuer nachvollziehbar

von MAX HÄGLER

Kaum greift die Finanzverwaltung den Autofahrern ans Rad, schon zieht die Autolobby vor Gericht. Denn säumigen Steuerzahlern droht seit gestern eine Parkkralle an ihrem Pkw – als auf sechs Monate begrenzter Modellversuch. „Nötigung“ wittert der ADAC und kündigt eine Musterklage „gegen die Berliner Krallenverordnung“ an.

Bislang hatten Steuersünder noch Glück. Nach Zahlungserinnerung und Mahnverfahren kam der Vollstreckungsbeamte und nahm Stereoanlage oder Plüschsessel mit. Nun setzen die Finanzämter Kreuzberg, Treptow-Köpenick, Lichtenberg und das Finanzamt (FA) für Körperschaften I Parkkrallen. 13 solcher Bremser stehen zur Verfügung. Im Einsatz ist noch keine. Egal ob Gewerbe-, Hundesteuer oder nur irgendeine Abgabe, wer auch das Mahnverfahren verpennt, bekommt vielleicht eine Wegfahrsperre verpasst und eine entsprechende Mitteilung in den Briefkasten.

Drei Werktage hat der „Vollstreckungsschuldner“ dann Zeit, seine Schuld zu begleichen. Rührt er sich nicht, wird das Fahrzeug zur „Verwertung“, also Versteigerung, abgeholt. Immerhin, falls der Erlös höher ist als die Schuld, bekomme der Halter den Betrag erstattet, versichert Claus Guggenberger, Sprecher der Finanzverwaltung. Überhaupt sei die Kralle nur „ein großer Zeigefinger, der klar macht: Jetzt wird’s ernst.“ Der Zeigefinger fehlt bisher an der Spree. 10 Prozent aller Steuerforderungen werden zu spät entrichtet, insgesamt beläuft sich die Steuerschuld auf 586 Millionen Euro.

ADAC-Sprecher Maximilian Maurer spricht angesichts der Steuervielfalt, bei der die Zwangsmaßnahme angewandt werden soll, von „Willkür“. Zwar sehe auch der Automobilclub die Vorteile des unbürokratischen Vorgehens. Doch eine Parkkralle sei höchstens bei säumiger Kfz-Steuer nachvollziehbar, ansonsten aber „in einem Rechtsstaat kein probates Mittel“.

Das Argument des ADAC, dass durch diese Maßnahme etwa auch Taxifahrer an ihrer Arbeit gehindert werden könnten, wehrt die Finanzverwaltung ab. Selbstverständlich werde nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit vorgegangen. Und so wird wohl bald das Finanzamt um die Häuser schleichen und die Pkws der Steuersünder suchen. „Der Vollstreckungsbeamte wird selbst das Auto suchen und die Kralle anlegen“, beschreibt Guggenberger das Vorgehen. „Erst wird vor dem Haus gesucht und dann in den nahe gelegenen Straßen.“ Zwar könne das Kfz auch weit entfernt abgestellt werden, aber das glaubt Guggenberger nicht: „Ein Autofahrer will Auto fahren.“

In Hamburg wird die Kralle schon seit Februar eingesetzt, allerdings nur bei säumiger Kfz-Steuer. Das Urteil der Hanse-Behörde: „Gut!“ 27 Parkkrallen wurden bis Anfang Juni angelegt, die Zahl der Vollstreckungsfälle sei um 40 Prozent zurückgegangen und Schlägereien beim Vollzug habe es auch keine gegeben.