Blüten des Gitarrenpop: „The Shins“ und „Preston School Of Industry“ in der Tanzhalle, „Paris“ im Molotow
: Angenehm hochnäsige Attitüde

Dem Rock an sich geht es gut. Jede Menge The-Bands werden angehimmelt, touren wild und sehen gut dabei aus.

Eine Spur leiser, bei schön geschriebenem Gitarrenpop, muss man naturgemäß schon etwas genauer hinschauen. Dabei sind es hervorragende Zeiten für die Liebhaber von, verallgemeinernd gesagt, ruhigeren Tönen an der Stromgitarre. Allerlei sehr schicke Alben werden momentan von so smarten wie eigensinnigen Popverstehern wie Modest Mouse, Califone, Iron And Wine oder Blonde Redhead veröffentlicht. Und kurz vor den Ostertagen beehren drei Bands den Hamburger Kiez, bei denen sich das genauere Hinhören lohnt.

Die amerikanischen Indiepopper The Shins (siehe Foto), die heute in der Tanzhalle spielen, bringen ihre Musik auf eine einfache Formel: „Melody is the key“. Eine gereifte Erkenntnis, denn in ihrer zwölfjährigen Bandgeschichte haben sie sich eher mühsam zu dieser angenehm hochnäsigen Popattitüde rübergehangelt. Die Ursprünge der vier Musiker liegen im staubigen Albuquerque, New Mexico. Der Grunge regt sich in seinen Geburtswehen und James Russell Mercer, teils aufgewachsen in Deutschland, spielt in einer Band, die Songs von den lustigen Dinosaur Jr. covert.

Zäh sind die Anfangstage, als er 1992 drei bunte Mitstreiter zum Rocken um sich schart: einen Keyborder vom Stamm der Yavapai-Apachen, ein Bassist, der in einer Hippiekommune in Guadalajara aufwuchs, und ein Peruaner am Schlagzeug. Der Name der Band wird noch ein paarmal gewechselt, bis sie sich fünf Jahre später runderneuern. Andere Musik, andere Instrumente, nimm du mal die Gitarre, Umzug nach Portland, Oregon. Alles muss neu.

Das Album Oh, Inverted World ist das Ergebnis, und The Shins nennen sie jetzt ihr verdammt gutes Songwriterzeug mit schrulligen Indie-Anleihen und viel Grundwissen aus lauteren Tagen, das sie jetzt reduziert auf des Pop-Pudels Kern wiedergeben. Veröffentlicht haben sie beim angesehenen Label „Sub Pop“, das einen ähnlichen Paradigmenwandel gerade vollzogen hatte: Die Entdeckung von Nirvanas Debüt Bleach war einmal, war auch großartig, macht immer noch reich, aber die ruhigeren Gewässer – nein, nicht seichtere – haben es auch in sich.

Und so passte die neu erfundene und von Kritikern umschwärmte Gruppe The Shins wie ein Aushängeschild. Auch kommerziell verkauft sie sich gut: Die Band tritt bei Letterman auf, Sänger und Gitarrist James Russell Mercer schreibt nebenbei wie schon Ryan Adams Musik für die Modekette „GAP“. Nun ist das neue Album Chutes Too Narrow erschienen: zehn Lieder, kompakte 33 Minuten kurz, elaborierte, verschmitzte Texte, aus der Hüfte geschossene Melodien: einfach fehlerlos schön.

Vorweg spielt – von einer Vorgruppe zu sprechen wäre arg tiefgestapelt – die amerikanische Band Preston School Of Industry, ein Projekt von Scott Kannenberg. Er war Gitarrist und ewige zweite Geige bei der umjubelten Indierock-Formation Pavement in den 90ern, die sich etwas unrühmlich trennte. Deren Sänger Stephen Malkmus tourt seitdem mit seinem Soloprojekt – einem Egoding, wie Kannenberg gerne mal andeutet – während er mit seiner dreiköpfigen Band nun das dritte Album Monsoon veröffentlicht hat.

Schnörkellose Gitarrensongs, unverblümt und solide gespielt. Sicherlich keines von diesen Das-Soloalbum-vom-Gitarristen-Dingern, die sich ungehört ansammeln. Der etwas sperrige Name hingegen hat einen ganz banalen Ursprung: Kannenberg steht auf Bandnamen, die so lang sind, dass man sie abkürzen muss.

Weit einfacher merken lässt sich da Paris, eine junge Band aus Schweden, die am Freitag im Molotow auftreten wird. Die vier Mittzwanziger, drei Mädels und ein Bengel, haben sich mit glasklarem Gitarrenpop auf ihren heimischen Bühnen großgespielt: Winzige Clubs, Demos in Eigenregie, erste Radioeinsätze. Ein Auftritt beim großen „Hultsfred Festival“, Anbändeln mit dem nordischen MTV-Ableger.

Yellow Eden ist seit Herbst letzten Jahres ihr erstes offizielles Album, das sie im Wohnzimmer des Bassisten Mattias produziert haben. Die beiden Sängerinnen Annika, eine Vegetarierin, die „Captain Morgan“-Rum mag, und Emma, die Sushi bevorzugt, erzählen dort kleine Geschichten oder Pop-Allgemeinwissen: „In the quiet night / I know what it feels like“.

Als Vorbilder benennen sie Blondie oder die Dandys von Suede. Klimperpiano und easy Gitarrengrooves. Kraftvoll, beatgetrieben und ohne viel Beiwerk ist ihre Musik, so wie es schon 90er-Jahre-Bands wie Elastica oder die Breeders mochten. Den Pop haben sie damit nicht neu erfunden, und ob Paris Bestand haben wird, ist eher unwahrscheinlich. Eine bunte Momentaufnahme, die live viel Spaß macht, ist die Band sicherlich.

Volker Peschel

„The Shins“ und „Preston School of Industry“: Donnerstag, 21 Uhr, Tanzhalle; Paris: Freitag, 21 Uhr, Molotow