Mit bitterbösem Humor der Diktatur zu Leibe

Im Kölner Allerweltshaus stellt sich die argentinische Gruppe „Etcetera“ vor. Seit 1998 arbeitet sie die Geschichte des Landes auf und mischt sich in aktuelle politische Diskussionen ein. Ein Beispiel ihrer Arbeit zeigt das Museum Ludwig

„Sie behandeln uns wie Scheiße“, stellt die Frau in dem Video fest. Da hat sie ihren mit Exkrementen prall gefüllten Plastikbeutel auch schon abgefeuert. Platsch, landet der direkt vor den Toren des argentinischen Parlamentsgebäudes. Massenweise verrichteten während einer Parlamentsversammlung im Dezember 2001 ganz normale, aufgebrachte argentinische BürgerInnen in der Hauptstadt Buenos Aires ihr Geschäft in aller Öffentlichkeit auf einem improvisierten Klo – und schleuderten das Ergebnis hinterher den Abgeordneten buchstäblich vor die Füße.

Während hierzulande Demonstrationen oftmals nur dröge Transparent-Schauen sind, wird in Argentinien richtig Ramba-Zamba gemacht. Dass aus Demos sogar regelrechte Kunstperformances werden können, zeigt die Künstlergruppe „Etcetera“, die sich am Donnerstag im Kölner Allerweltshaus präsentierte. Sie ist mit einem fotografischen Beitrag bei der laufenden „Ex Argentina“-Ausstellung im Museum Ludwig vertreten, die sich mit künstlerischen Reaktionen auf die Wirtschaftskrise und die Aufstände in Argentinien aus einandersetzt.

„Etcetera“ gibt es seit 1998. Im Vordergrund ihrer Arbeit stand von Anfang an die Einmischung in soziale und politische Konflikte. In Zusammenarbeit mit H.I.J.O.S., einer Menschenrechtsorganisation von Kindern Verschwundener und Ermordeter während der letzten Militärdiktatur in Argentinien (1976-1983), werden öffentliche Outings, so genannte „Escratches“ veranstaltet. Viele der für die Gräueltaten des Militärregimes Verantwortlichen sind aufgrund von Amnestiegesetzen auf freiem Fuß. Deren Wohnungen werden von „Etcetera“ aufgesucht und öffentlich angezeigt.

Einige dieser „Escratches“ sowie andere künstlerisch-politische Aktionen von „Etcetera“ wurden am Donnerstag nun auf Video gezeigt: Ein an Jorge Videla (ehemaliges Oberhaupt der Militärdiktatur) angelehnter, faschistischer Moderator führt ironisch überspitzt durch das Programm. Da wird zum Beispiel das Haus eines Mediziners, der den Raub neugeborener Kinder von illegal inhaftierten und später ermordeten Frauen zu verantworten hat, mit Farbbeuteln markiert. Oder es wird eine „Armee der Verrückten, Träumer und Hungernden“ aufgestellt. Mit überdimensionalen Gabeln, Löffeln und Messern bewaffnet und mit breiter Unterstützung der zu einem großen Teil unter dem Existenzminimum lebenden Bevölkerung zieht die Gruppe durch die Straßen. „Essen fassen!“, lautet der Schlachtruf.

Das Künstlerkollektiv „Etcetera“ veranschaulicht eindrucksvoll, wie Kunst – fernab elitärer Zirkel – Teil eines gesellschaftlichen Aufbegehrens sein kann. Die Gruppe geht direkt auf die Straße und verleiht dem Unmut der Bevölkerung eine kreative Stimme. Nicht mit Verbitterung, sondern mit bitterbösem Humor. Oliver Minck