Wie die Spinne im Netz

Ob Beratung oder die Sicherheit für die Kredit-Finanzierung: Die Hamburger Initiative für Existenzgründungen und Innovationen H.E.I. hilft beim Weg in die Selbständigkeit

von Annika Noffke

„Wann, wenn nicht jetzt“, dachte sich Tischlermeister Jörg Tolke, als sein Arbeitgeber vor einem Jahr Insolvenz anmeldete. „Global“ hatte Tolke „schon seit meiner Meisterschule“ mit dem Gedanken gespielt, sich selbständig zu machen. Seit dem 1. März nun ist er eingetragen mit seinem Unternehmen „arcavis – Agentur für Selbstbaumöbel“. Das Konzept: Jeder trägt zum gewünschten Möbelstück bei, was er kann, und spart sich so beispielsweise die Kosten für Endlackierung, Transport oder den Entwurf.

Eine Idee ohne Vergleichsmarkt – entsprechend schwierig gestaltete sich zunächst die Finanzierung. Der Bank fehlte für den Kredit die Sicherheit, doch immerhin einen Namen konnte sie dem künftigen Unternehmer mitgeben: Die BürgschaftsGemeinschaft, und die stand dann auch gerade für Tolkes Kredit.

„Eine gute Idee darf nicht an fehlenden Sicherheiten scheitern“, sagt Dr. Stefan Papirow, Geschäftsführer der BürgschaftsGemeinschaft (BG), unter deren Dach die „Hamburger Initiative für Existenzgründungen und Innovationen“ (H.E.I.) beheimatet ist. Ein Netzwerk für Existenzgründer, auf das Tolke auch beim monatlichen Gründertreff der Handelskammer und im Orientierungsseminar des Arbeitsamts hingewiesen wurde. „Wer sich mit Existenzgründung beschäftigt“, hat der Tischlermeister erfahren, „kommt um die H.E.I. nicht herum.“

Sie wurde 1995 unter anderem von der Behörde für Wirtschaft und Arbeit gegründet und besteht aus Banken, Handels- und Handwerkskammer, Verbänden, Innungen, Unternehmensberatern und vielen anderen Institutionen, die sich mit dem Thema Existenzgründung beschäftigen. Wir sind die Spinne im Netz“, veranschaulicht Papirow die koordinierende Funktion der H.E.I. Dazu gehören auch branchengemischte Stammtische zu einem bestimmten Thema. „Die häufigste Frage ist: Hast du Kunden für mich?“, erzählt Papirow. Und die reichten Tischlerbetriebe, Druckereien und Werbeagenturen dann untereinander weiter.

Wer sich von der H.E.I. fördern lassen möchte, muss zunächst zum Beratungsgespräch. „Je früher, desto besser“, rät Papirow. Die Experten überprüfen – so vorhanden – den Existenzgründungsplan auf Schwachstellen und müssen nicht selten von einem Standort, einem Segment oder gar von der Firmenidee selbst abraten. „Manche Gründer übernehmen sich“, weiß der Fachmann, „schätzen Umsätze und Kosten nicht richtig ein.“ Zwei Drittel der Pläne seien aber gut oder zumindest ausbaufähig.

Ein Hauptfehler, sagt Papirow, sei die Überschätzung des Marktes: „Die Leute haben eine zu große Absatzerwartung und unterschätzen den Zeitraum, bis sich ihr Unternehmen rentiert.“ Gefährlich seien auch die sogenannten „Me too“-Produkte, die es bereits bei anderen Unternehmen um die Ecke gebe. Und nicht zuletzt müsse die Finanzierung langfristig angelegt sein, bevor man startet.

Nach dem Beratungsgespräch gibt es kostenlose Schecks im Wert von 500 Euro, die für drei Jahre gültig sind. Sie werden gegen Seminare aus dem Coaching-Programm der H.E.I. verrechnet, der Eigenanteil an der Kursgebühr beträgt in der Regel ein Drittel. 500 dieser Scheckhefte gibt die Wirtschaftsbehörde jährlich aus.

Die Schecks haben Tolke auch nach seiner Betriebsgründung sehr geholfen: Er informierte sich über Marketing, Controlling und rechtliche Fragen; Begriffe wie „Kennzahlenerstellung“, „Ertragsvorschau“ oder „Rentabilitätsbetrachtung“ sind für ihn längst kein Fachchinesisch mehr. Externe Berater überprüfen jährlich die Kursqualität anhand der Beurteilungen der Teilnehmer in Feedbackbögen. „Dabei werden ca. fünf bis zehn Prozent der Seminare ausgetauscht“, schätzt Papirow. Die meisten Gründer beschäftigten sich derzeit mit kaufmännischen Fragestellungen, zudem interessierten sie Marketing sowie Kalkulation, Buchführung und Steuerfragen.

Zwei Drittel der Gründer haben Abitur oder Fachhochschulreife, meist sind sie im Alter von 31 bis 40 Jahren. Bei den rund 2.200 Unternehmen, die seit 1995 mit Hilfe der H.E.I. gegründet wurden – Beschäftigungseffekt mehr als 4.000 Arbeitsplätze –, überwiegt nach wie vor der Dienstleistungsbereich. Andere Felder haben sich im Laufe der Zeit verlagert – weg von den neuen Medien – hin zum „klassischen Bereich“ wie Handwerk oder Beratung. Insgesamt sei die Gründungstendenz rückläufig, ein „Spiegelbild der gesamten wirtschaftlichen Situation“, sagt Papirow. Die Leute hätten heute mehr Schwierigkeiten, an Kredite zu kommen.

Wer dennoch den Sprung in die Selbständigkeit wagen will, dem rät Papirow, vor allem „sich selbst treu zu bleiben“. Und sich ein Beispiel an den Gründerinnen zu nehmen. „Frauen gründen anders als Männer“, seien bedächtiger und riskierten weniger Kapital, lobt der Fachmann: „Schritt für Schritt schauen Frauen erst, wie das Produkt am Markt ankommt und reagieren dann darauf.“

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