„Freispruch. Das war‘s“

Im Prozess um das Bundeswehr-Gelöbnis vom Vorjahr wird Angeklagter freigesprochen. Gericht stellt stattdessen fest: Polizist hatte grundlos die Frontscheibe vom Lautsprecherwagen der antimilitaristischen Gelöbnix-Initiative zerdeppert

von KAI VON APPEN

Der Polizist Lutz M. (32) kam nicht allein: Zu seiner Vernehmung als Zeuge der Anklage brachte er gleich zwei Züge seiner Beweissicherungs- und Festnahme-Einheit (BFE) mit, die das Strafjustizgebäude am Donnerstag wie zuletzt bei den al-Qaida-Prozessen in Belagerungszustand versetzten. Und auch Amtsrichterin Jutta Kugler wollte zunächst den Prozess gegen den Anti-Militaristen Udo S. in den Staatsschutzsaal 288 des Oberlandesgerichts verlegen – mit bewaffneten PolizistInnen hinter der Trennscheibe. Doch dann fand es die Richterin wohl doch in ihrem völlig überfüllten Amtsgerichtsstübchen sicherer und kuscheliger: Dennoch machte sie nach nur 90 Minuten Beweisaufnahme energisch Schluss: „Freispruch. Das war's.“

Dabei hatte die politische Abteilung der Staatsanwaltschaft nach der Anzeige Ms. schwere Geschütze aufgefahren. „Schwerer Eingriff in den Straßenverkehr, versuchte gefährliche Körperverletzung und Widerstand gegen die Staatsgewalt in einem besonders schweren Fall“, warf sie dem Angeklagten vor. Udo S. hatte am 16. Juni vorigen Jahres den Lautsprecherwagen des „Gelöbnix“-Protestes gelenkt. Vor der Kunsthalle war die „Gelöbnix-Demo“ von der Polizei wegen des seitlichen Tragens von Transparenten attackiert worden. Lutz M. bezog mit seiner Spezial-Einheit „BFE 41“ unmittelbar vor dem Lautsprecherwagen Position. „Wir sollten Auflagen umsetzen“, begründet er.

Soweit decken sich die Versionen. Doch dann soll Udo S. laut Anklage versucht haben, den Polizisten umzufahren. „Ich sah, wie unmittelbar vor dem Lautsprecherwagen ein Teilnehmer brutal niedergeknüppelt wurde“, sagte S.: „Das war so nah, dass ich ihn am Boden liegend vom Führerhaus nicht mehr sehen konnte.“ Udo S. weiter: „Der Polizeibeamte, der unmittelbar vor dem Wagen stand, schlug plötzlich ohne Grund mit aller Kraft seines Griffteils des Schlagstock in die Frontscheibe.“ Der Vorwurf, der ihm gemacht werde, sei „reine Erfindung“. Udo S.: „Der Wagen hat sich wegen angezogener Handbremse nicht einem Milimeter bewegt.“

Schon die unerwartete und ausführliche Einlassung von S. zum Tatgeschehen löste bei den Prozessbeteiligten Irritationen aus. Als dann Lutz M. seine Angaben im Zeugenstand soweit relativierte, dass sich das ganze Tatgeschehen – „Er ist kurz angefahren, ich wurde von dem Fahrzeug angetickt“ – wenn überhaupt auf engstem Raum „von wenigen Zentimetern im Schritttempo“ ereignet hat, zog Richterin Kugler bei der Vorlage einer Bildmappe durch Verteidiger Andreas Beuth die Notbremse – zumal der Jurist überdies ankündigte, 35 ZeugInnen zu haben, die bestätigten, dass sich das Fahrzeug nicht bewegt habe. „Ich bin sehr unglücklich, dass es so ist, wie es jetzt ist,“ seufzte die Richterin. Doch der Vertreter der Anklage setzte dem Unbehagen schnell ein Ende. „Wir können hier Schluss machen. Ich beantrage Freispruch, das Theater hätten wir uns sparen können.“

Denn selbst wenn die Version des Polizisten M. stimmen würde, handele es sich nicht um Straftaten: „Und selbst an diesen Darstellungen habe ich meine Zweifel, obwohl ich noch nie auf einer Demonstration war“, sagte Kugler abschließend im Urteil.

Da eine Strafanzeige gegen Lutz M. wegen Sachbeschädigung aufgrund der Zeit keinen Erfolg mehr haben würde, wird Beuth darauf verzichten und die Polizei anschreiben. „Ich erwarte, dass die Polizei dem Gelöbnix-Bündnis die 500 Euro Eigenbeteiligung wegen des Schadens am Mietwagen erstattet.“