Nordkorea will noch mehr Atombomben

Unterschiedliche Reaktionen der USA und Südkoreas auf Pjöngjangs neues Eingeständnis von Atomwaffen

TOKIO taz ■ Nordkorea schafft es mühelos, sich zum zentralen Gesprächsthema bei jedem wichtigen Treffen von Staatsoberhäuptern zu machen. So auch in Evian beim ersten Treffen zwischen US-Präsident George W. Bush und Chinas Präsident Hu Jintao. Die beiden einigten sich darauf, dass Nordkorea schnell wieder an den Verhandlungstisch gebracht werden muss. Aber Bush lehnte die von Pjöngjang gewünschten bilateralen Gespräche erneut ab und beharrte auf einer multilateralen Lösung des seit Oktober schwelenden Atomstreits, an dem auch China, Südkorea und Japan beteiligt seien.

Als weitere Eskalation des Streits wurde ein Geständnis des stellvertretenden nordkoreanischen Außenministers Kim Kye-gwan gegenüber US-Kongressabgeordneten in Pjöngjang gewertet. Kim bekräftigte bei einem Essen, Nordkorea besäße bereits Atomwaffen und werde demnächst die Wiederaufbereitung von 8.000 Nuklearbrennstäben abschließen. Damit könnte Nordkorea in wenigen Monaten bis zu acht Atombomben bauen.

Der stellvertretende US-Verteidigungsminister, Paul Wolfowitz, der bis gestern zu einem Besuch in Seoul weilte, nahm die Nachricht der US-Parlamentarier sehr ernst. „Es liegt nahe, dass wir das, was sie sagen, ernst nehmen sollten“, erklärte Wolfowitz nach einem Gespräch mit Südkoreas Präsident Roh Moo Hyun. Wolfowitz drohte im Falle einer Aggression Nordkoreas mit einer „verheerenden“ US-Antwort. Es bestanden offene Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und Roh. Der wies in einer Stellungnahme darauf hin, dass es bislang keine „klaren Beweise“ dafür gebe, dass Nordkorea Atomwaffen besitze. Dies hätten Vertreter Pjöngjangs bisher nur gegenüber US-Vertretern eingeräumt. Das nährt in Seoul den Verdacht, Pjöngjang wolle so Washington zu Verhandlungen zu seinen Konditionen bewegen.

Die nächsten Gespräche über Nordkorea sollen am 12. Juni zwischen den USA, Japan und Südkorea auf Hawaii stattfinden. Gemäß Japans Außenministerium sollen Möglichkeiten gesucht werden, Pjöngjang zur Aufgabe des Atomprogramms zu bewegen. Auch würden wirtschaftliche Sanktionen, wie sie die USA erwägen, zur Sprache kommen.

ANDRÉ KUNZ