WAHLEN IN ALGERIEN: VON DEMOKRATIE KANN KEINE REDE SEIN
: Ein unglaubwürdiges Ergebnis

Wer zu viele in die Urnen greifen lässt, läuft Gefahr, dass der Wahlbetrug zu offensichtlich wird. Dies passierte jetzt dem algerischen Präsidenten Abdelaziz Bouteflika. Er wurde mit knapp 84 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt. Der bestplatzierte Herausforderer Ali Benflis erhielt nur 8 Prozent. Zu Recht glaubt niemand dieses Ergebnis. Denn Bouteflika erzielte jetzt sogar noch 10 Prozent mehr als vor fünf Jahren, als sich alle Herausforderer aus Protest gegen Betrügereien am Abend vor dem Urnengang zurückgezogen hatten und ihre Wahlzettel nicht mehr vollständig eingezogen werden konnten.

Abdelaziz Bouteflika war einst angetreten, um Algerien zu befrieden und zu erneuern. Heute ist zwar die Gewalt in Algerien zurückgegangen, doch von Demokratie kann keine Rede sein. Der Präsident lässt die unabhängige Presse des Landes verfolgen, das politische Leben ist fast vollständig zum Erliegen gebracht, das Parlament spielt kaum noch eine Rolle, die Opposition ist weitgehend ausgeschaltet. Als sich die ehemalige Einheitspartei FLN weigerte, den amtierenden Präsidenten als ihren Kandidaten zu nominieren und stattdessen ihren Generalsekretär Ali Benflis ins Rennen schickte, wurde die Parteiaktivitäten vom Gericht untersagt.

Seit dem Zusammenbruch des Einparteiensystems Ende der 80er-Jahre hat niemand mehr so tief in die Trickkiste des Wahlbetruges gegriffen wie jetzt die Verwaltung unter Bouteflika – und das zu einem Zeitpunkt, wo die Bürger erstmals eine wirklich freie Wahl ohne vorher bekannten Ausgang erwarteten. Die Enttäuschung über die Wahl kann nun schnell zum Nährboden für immer neue Rebellionen werden. Die Berberregion Kabylei ist seit mehreren Jahren außer Kontrolle; bei einer politisch und wirtschaftlich gleichermaßen desolaten Situation springt der Funke des Protests immer wieder auch in andere Regionen über. In einem Land ohne starke politische Opposition ist dies mehr als gefährlich. Denn viele könnten ihre Hoffnung einmal mehr in radikalen Lösungen setzen. Wohin das führt, dafür ist Algerien eines der traurigsten Beispiele. REINER WANDLER