Bush droht Lügen-Ausschuss

US-Senatoren verlangen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu angeblichen irakischen Massenvernichtungswaffen. Begründung: Amerika und die Welt könnten manipuliert worden sein

WASHINGTON taz ■ Die offenbare Kriegslüge um die Existenz von irakischen Massenvernichtungswaffen beschäftigt jetzt auch den amerikanischen Kongress. Mehrere US-Senatoren von Demokraten und Republikanern schlugen die Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses vor, um die Arbeit der US-Geheimdienste zu überprüfen. Zudem könnte untersucht werden, ob und wie CIA-Informationen für politische Zwecke missbraucht worden sind.

Senator Bob Graham, Präsidentschaftskandidat der Demokraten, sagte am Sonntag, sollten keine ABC-Waffen im Irak gefunden werden, stelle dies ein „schweres Scheitern“ der Geheimdienste dar. In diesem Fall hätten die USA in der internationalen Gemeinschaft ihr Vertrauen verspielt. Es sei denkbar, dass Informationen der Nachrichtendienste manipuliert worden seien, um das amerikanische Volk zu täuschen. Dies ist bislang der schärfste Angriff eines US-Politikers auf die Regierung von Präsident George W. Bush.

Der republikanische Senator und Kriegsbefürworter John McCain stellte ebenfalls am Sonntag einen überparteilichen Kongressausschuss in Aussicht, um die Vorwürfe manipulierter und fehlerhafter Geheimdienstinformationen zu untersuchen. Auch der Vorsitzende des Streitkräfteausschusses im US-Kongress, der Republikaner John Warner, lehnt eine solche Prüfung prinzipiell nicht mehr ab.

Schwere Vorwürfe gegen das Pentagon erhebt auch das US-Magazin Time, das sich in seiner Montagausgabe auf die Aussagen hochrangiger US-Militärs beruft. Demnach hat das Verteidigungsministerium bei seinen Erkenntnissen über irakische Massenvernichtungswaffen auf Rohdaten des US-Geheimdienstes CIA zurückgegriffen, diese jedoch übertrieben interpretiert. Ein CIA-Mitarbeiter wird mit den Worten zitiert, Pentagon-Chef Donald Rumsfeld habe das Geheimdienstmaterial über den Irak „in fast krankhafter Weise stark verzerrt“.

Der drohende Einsatz von Massenvernichtungswaffen war von der US- und der britischen Regierung als wesentliches Argument verwandt worden, um den Krieg zu rechtfertigen. US-Außenminister Colin Powell hatte dem UN-Sicherheitsrat angebliche Beweise für die Existenz der gefährlichen Waffen vorgelegt. Doch bis jetzt ist davon keine Spur aufgetaucht.

Unterdessen beteuerte der britische Premier Tony Blair, es würden doch noch Massenvernichtungswaffen gefunden. Auf dem G-8-Gipfel in Evian forderte Blair in dieser Frage zur Geduld auf. Der britische Außenminister Jack Straw sagte, es gebe „überwältigende Beweise“, dass Saddam Hussein verbotene Waffen besessen habe. Allerdings räumte er ein, dass von Irak keine unmittelbare Bedrohung ausgegangen sei. Im letzten September hatte Blair ein Dossier vorgelegt, wonach Irak Massenvernichtungswaffen mit einer Vorwarnzeit von 45 Minuten hätte einsetzen können. MICHAEL STRECK

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