ein amerikaner in berlin
: ARNO HOLSCHUH über die Prenzlberg-Diät – und ihre Lösung in Indiana

Unsere kulinarische Spezialität ist der „Pork Fritter“, eine Art Megaschnitzel

Anja, eine Freundin von mir, war kürzlich in New York. Als sie zurückkam, gab sie folgenden knappen, aber zutreffenden Bericht ab: Die New Yorker sind dicker! Damit traf sie allerdings einen wunden Punkt. Ich bin aber heilfroh, dass sie lediglich nach New York geflogen war, denn New Yorker gelten uns Amerikanern als schlank. Meine Heimat Indiana hingegen ist statistisch gesehen der dickste Bundesstaat des Landes.

Das hat seinen Grund. Unsere kulinarische Spezialität ist nämlich der „Pork Fritter“, eine Art Megaschnitzel, aus einem Megaschwein geschnitten. Oft erreicht der Fritter die Größe eines Toilettensitzes. Meine Landsleute machen sich gern lustig über so abartige Volksgruppen wie Kalifornier, die auf eine ausgewogene Diät achten. In Indiana muss man sich nicht schämen, dick zu sein! Wir pfeifen auf jegliche Gesundheitsvorschrift – und zwar bis zu dem Tag, an dem wir plötzlich an Herzversagen sterben!

Auch wenn der New Yorker schlanker ist: Die rundlichen Bagel-Esser dort müssen Anja natürlich aufgefallen sein. Sie lebt ja in Prenzlauer Berg. Seit meinem Umzug dorthin führe ich einen berlininternen Vergleich. Dessen vorläufiges Ergebnis ist: Die Leute hier sehen, ehrlich gesagt, alle etwas unterernährt aus. Das liegt sicher am Angebot. Das Sinnbild von Kreuzberg ist der Dönerladen. Tempelhof fungiert als letzte Hochburg der deutschen Hausmannskost. Aber Prenzlberg? Hier gibt es wenige Türken und noch weniger Kasseler Braten. Hier gibt es Ökoläden. Die verkaufen ein Hähnchen, das sein Leben lang täglich von japanischen Shiatsuexperten in Bioseidenhandschuhen massiert wurde. Dummerweise kostet es mehr als die Monatsmiete. Gut ist, dass man sein glückliches Hähnchen in Raten abbezahlen kann. Schließlich muss der Prenzlberger auch nicht jeden Tag essen. Stattdessen ordert er einen „Cofee to go“ und raucht dazu eine Schachtel P&S, das stillt den Hunger fast so effektiv wie herkömmliche Nahrung. Um noch etwas für die Gesundheit zu tun, geht man anschließend laufen, am besten mit dem Kinderwagen.

Ich hab mir schon überlegt, ob ich mir nicht einen zulege. Ich hab zwar kein Kind, aber hier fühle ich mich so nackt und wehrlos, wenn ich ohne Kinderwagen auf die Straße gehe. Denn Kinderwagen Fahrende sind für Fußgänger wie Lkws für Kleinwagenfahrer: Egal wie dämlich sie sich benehmen, man gibt ihnen Vorfahrt. Die Vorstellung, dass sie ihre Ladung auskippen, schüchtert einen halt ein. Was aber würde ich in meinem kinderlosen Kinderwagen transportieren? Ist doch klar: Ich mache täglich eine Hamsterfahrt nach Tempelhof, kaufe Mengen an Eisbein mit Sauerkraut ein, fahre sie in die Greifswalder, wo ich alles für das Doppelte verkaufe. Damit mache ich meine erste Million.

Nachdem ich die prenzlbergische Bevölkerung aufgepolstert habe, geht es weiter: Mit meinem Kapital gründe ich ein Reisebüro, in dem die gemästeten Prenzlberger Urlaub in Indiana buchen können. Unser Motto: „Verlegen in der Badehose? – In Indiana müssen Sie sich nicht schämen!“