Aller Anfang heißt sparen

Sommersemesterbeginn an den Universitäten: Die Proteste sind weg, die Probleme geblieben. Wer heute seine ersten Vorlesungen und Seminare besucht, erlebt bis zum Abschluss eine Kürzungsorgie

VON DAVID DAUNER

Vorbei die Zeiten, in denen Streikbanner über den Universitäten wehten und Streikposten die Eingänge besetzten. Wenn heute tausende Erstsemester an die Unis strömen, ist von Massenprotest und Streik nichts mehr zu sehen. Die üblichen Willkommensreden und Einführungskurse legen nah: Alles so wie immer. Das Bild trügt. Weggefallen sind nur die Proteste. Die Probleme sind geblieben.

Bis 2009 müssen die Berliner Universitäten 75 Millionen Euro einsparen. So haben es Senat und Abgeordnetenhaus beschlossen, und daran konnten auch die Studierendenproteste nichts ändern. Fieberhaft arbeiten nun Kommissionen daran, dieses Sparvorhaben umzusetzen. Studiengänge werden gestrichen und Mitarbeiterstellen eingespart. Zwischenzeitlich drohte ganzen Fakultäten die Schließung, etwa der landwirtschaftlich-gärtnerischen an der Humboldt-Universität (HU). Wer in diesem Kampf überleben will, braucht gute Argumente oder eine gute Lobby.

Unter Federführung des Präsidenten beschloss der Akademische HU-Senat Mitte Februar die Richtlinien für das Sparkonzept. Dazu gehören weniger Plätze für Studienanfänger. „Bereits im kommenden Wintersemester werden wir anstelle der üblichen 16.000 Studenten nur noch etwa 14.000 aufnehmen können“, sagt Vizepräsident Heinz Elmar Tenorth. Dennoch sieht er die Qualität der Universität nicht gefährdet: „Auch wenn wir unser Studienangebot nicht mehr im vollen Umfang erhalten können, werden die verbliebenen Bereiche handlungsfähiger.“

Scharfe Kritik an der Planung des HU-Präsidiums kommt von Michael Plöse, studentisches Mitglied im Akademischen Senat. Das Präsidium nutze die Einsparungen um einzelne Elitestudiengänge heranzuzüchten, so Plöses Vorwurf. Besonders gekürzt werde bei Studiengängen, die nicht in ein geplantes neues Profil der HU passten, beispielsweise bei der Sinologie. Deutlich besser würden beispielsweise die Rechtswissenschaften behandelt. Insgesamt sollen bis 2009 mindestens 78 Professorenstellen wegfallen. Im Mai sollen die Beratungen über Stellenstreichungen und neue Struktur abgeschlossen sein.

An der Freien Universität setzt man weniger auf Diskussion. Anfang April beschloss das Kuratorium als höchstes Gremium den Strukturplan. Die Fakultäten konnten da kaum mitreden. Massive Einschnitte gibt es bei Geschichte und Psychologie. Der ehemals angesehene Studiengang Soziologie fällt komplett weg. Otto Stammer hatte hier gelehrt, Rudi Dutschke studiert. Ralf Hoffrogge, Hochschulreferent im Allgemeinen Studierenden-Ausschuss, kurz Asta, sieht auch bei dieser Kürzung keinen sachlichen Ansatz: „ Da tobt ein Kampf zwischen unterschiedlichen Wissenschaftskonzepten.“ Wer Wissenschaft nicht als Zulieferer der Wirtschaft auffasse, habe schlechte Karten.

Die Technische Universität hatte sich nach den Erfahrungen aus Nazizeit den kritischen wissenschaftlichen Ansatz ganz besonders auf die Fahnen geschrieben. Kritiklos hatten damals viele Ingenieure mit dem Regime kooperiert. Durch die Vernetzung von geisteswissenschaftlichen mit technischen Studiengängen wollte man dem entgegenwirken. Nun werden die Geisteswissenschaften geschröpft. Musikwissenschaften, Geschichte, Kunstgeschichte und Technikpsychologie fallen ab kommendem Wintersemester weg.

Außerdem streicht die TU Volkswirtschaft- und Betriebswirtschaftslehre. Damit kommt die TU der Forderung des Senats nach, berlinweite Dreifachangebote einzustellen. Die derzeit eingeschriebenen 3.000 Studierenden dieser Fächer dürfen noch ihren Abschluss machen. Das Brisante daran: Obwohl die Studiengänge wegfallen, spart die TU laut internen Quellen kaum Geld ein. Die Professoren werden voraussichtlich weiterhin beschäftigt und decken BWL und VWL-Elemente anderer Studiengänge ab. Alles keine guten Aussichten zum Semesterstart.