Brisantes Material fürs Stadtarchiv

Der Kölner Appell übergibt seine Unterlagen dem Historischen Archiv der Stadt. Vor allem Akten aus der Flüchtlingsberatung könnten das Bild von der Kölner Flüchtlingspolitik entscheidend beeinflussen – wenn sie dereinst freigegeben werden

Von Dirk Eckert

In zwanzig Jahren kann so Einiges an Akten zusammenkommen. Das gilt nicht nur für Behörden, sondern auch für Initiativen. So hat der Kölner Appell in zwei Jahrzehnten antirassistischer Arbeit Einiges an Material angesammelt. Seine Bestände will er nun an das Historische Archiv der Stadt übergeben.

Bislang lagern die Akten in den Kellerräumen des Allerweltshauses in Köln-Ehrenfeld, wo der Verein sein Büro hat. „Doch der Keller ist feucht, da kann man Akten nicht ewig lagern“, sagt Klaus Jünschke vom Kölner Appell. Geld für bessere Räume hat der Verein ohnehin nicht. Erst kürzlich fiel die letzte ABM-Stelle weg, so dass bei der antirassistischen Initiative jetzt nur noch ehrenamtlich gearbeitet wird.

Ein entsprechender Vertrag zwischen Stadt und Kölner Appell ist gerade in Vorbereitung. Die Details sind bereits geklärt, die Unterschriften gelten nur noch als Formsache: Das Archiv wird eine Dauerleihgabe an die Stadt, genauer an das Köln-Archiv der sozialen Bewegungen, das beim Historischen Archiv der Stadt angesiedelt ist. Sollte sich der Kölner Appell auflösen, was bei Initiativen, die wie der Kölner Appell von der Arbeit ihrer Mitglieder leben, keineswegs ausgeschlossen ist, fallen seine Bestände an das Köln-Archiv der sozialen Bewegungen.

Das Archiv des Appells hat durchaus Interessantes zu bieten: zum Beispiel die legendäre Unterschriftensammlung „gegen menschenfeindliche Ausländerpolitik“, aus der heraus der Kölner Appell 1983 entstanden ist. Übergeben wurden die Unterschriften jedoch nie, da sie in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn niemand haben wollte, wie Klaus Jünschke erzählt. „Die übergeben wir jetzt dem Stadtarchiv.“

Insgesamt seien es rund 50 Leitzordner, die an das Historische Archiv der Stadt gehen, schätzt Jünschke. Pressemitteilungen, Flugblätter oder auch interne Sitzungsprotokolle – eben alles, was in zwanzig Jahren antirassistischer Arbeit angefallen ist –, gehören zu dem Archivbestand. Für Historiker dürfte das Archiv eine wahre Fundgrube sein: „Wer Hausarbeiten oder Diplomarbeiten schreiben will, der kann das jetzt einsehen“, wirbt Jünschke. Bei bislang nicht veröffentlichten Dokumenten brauchen interessierte Forscherinnen und Forscher indes die Genehmigung des Appells.

Das brisanteste Material dürften die rund 15 Ordner sein, die bei der Flüchtlingsberatung entstanden sind. Aus Datenschutzgründen werden sie die nächsten Jahrzehnte nicht zugänglich sein, schließlich findet sich hier vor allem Persönliches. Eine Zeit lang habe der Appell auch darüber nachgedacht, die Akten zu vernichten, räumt Jünschke ein.

Für Eberhard Illner, Abteilungsleiter für Sammlungen und Privatarchive beim Stadtarchiv, ist es wiederum ein Glücksfall, dass sich der Kölner Appell gegen die Vernichtung der Flüchtlingsakten entschieden hat. Ansonsten hätte das städtische Archiv etwa durch die Akten des Ausländeramtes nur die „Behördenseite“ in seinen Regalen, wenn dereinst zum Bespiel die Flüchtlingspolitik der Stadt erforscht werden sollte, beschreibt Illner die Bedeutung der Akten für die historische Forschung.

„Für die korrekte Überlieferung ist es wichtig, beide Seiten zu haben“, betont Illner. Ohne die Beratungsakten drohe ein „obrigkeitsstaatlich verzerrtes Bild“ zu entstehen, durch die Akten über die Flüchtlingsschicksale aber werde „die Betroffenenseite greifbar“. Als Archivar weiß er um die Wirkung von Gedrucktem bei Historikern: „Was nicht in den Akten steht, wird schnell als nicht existent angesehen.“

Am 19. April zeichnet das „Bündnis für Demokratie und Toleranz“ den Kölner Appell im Rathaus der Stadt Köln für sein Engagement mit einem Geldpreis von 5.000 Euro aus. Weitere Preise, finanziert vom Bundesinnenministerium, gehen an „Jugendhilfe und Schule e.V. & Nippes Museum“ (3.000 Euro) und das Begegnungs- und Fortbildungszentrum muslimischer Frauen (2.000 Euro).