: Sorgenfreier geht es nicht
Der Containerumschlag in Hamburg hat erneut alle Rekorde gebrochen. Die Begehrlichkeiten der Hafenwirtschaft sind damit aber nicht gestillt: Die Elbvertiefung wird als Kampfmaßnahme gegen die künftige Konkurrenz aus Wilhelmshaven gebraucht
von PETER AHRENS
Mit dem Namen des Marketingchefs des Hamburger Hafens Wortspiele anzustellen, ist ein leichtes und beliebtes Spiel zugleich. Denn was Jürgen Sorgenfrei in Bezug auf den Hafen am wenigsten hat, ist irgendwelcher Kummer: Der Containerumschlag in Hamburg bricht alle Rekorde, das geht seit Jahren so. Im ersten Quartal 2004 hat sich der Umschlag nochmals erhöht. Offizielle Zahlen gibt es zwar erst im Lauf der kommenden Woche, aber der NDR hat bereits erfahren, dass die Erwartungen, die Sorgenfrei und seine Leute an die ersten drei Monate des Jahres gestellt hatten, wieder übertroffen wurden.
6,1 Millionen Standardcontainergrößen (TEU) hatte Hamburg im Vorjahr erreicht, dazu einen Gesamtumschlag, der noch einmal um 8,9 Prozent auf 106,3 Millionen Tonnen nach oben gegangen ist – das sind Zuwächse, die kein anderer europäischer Seehafen erreicht. Zwar hat sich auch Bremen/Bremerhaven im Vorjahr mit plus 5,2 Prozent und einem Containerumschlag von 3,2 Millionen TEU bei einem Gesamtumschlag von 48 Millionen Tonnen verbessert, Hamburg jedoch ist der eindeutige Marktführer.
Die Nähe zur Wachstumsregion des Ostseeraums und das bewusste Setzen auf die Wirtschaftskontakte nach China haben den Hamburgern diese Rekordzahlen beschert. Der Asienverkehr hat nach wie vor zweistellige Zuwachsraten zu verzeichnen. Der Verkehr mit Osteuropa ist 2003 um fast 25 Prozent gestiegen. Das sind Wachstumswerte, die keine andere Branche in der Hansestadt vorweisen kann.
Der Hafenwirtschaft reicht das aber längst nicht: Gebetsmühlenartig wird die Forderung nach einer neuen Elbvertiefung vorgetragen, ein Ansinnen, das in keiner hafenpolitischen Äußerung von CDU-Wirtschaftssenator Gunnar Uldall fehlen darf. Die letzte Elbvertiefung, die 1999 abgeschlossen wurde, wird von der Wirtschaft stets als mitverantwortlich für die Wachstumsraten ausgemacht – allerdings stieg der Umschlag auch vorher bereits deutlich an.
Eine erneute Elbvertiefung würde der größte deutsche Ostseehafen in Lübeck nicht nur jubelnd begrüßen. Lübeck profitiert derzeit von seiner exponierten Ostseelage und schnappt den Hamburgern damit den einen oder anderen Kunden aus Osteuropa weg. Was immerhin dazu geführt hat, dass die Lübecker nun auch schon einen Gesamtumschlag von 25,4 Millionen Tonnen im Vorjahr – der Containerumschlag spielt in Lübeck mit 59.000 TEU nur eine geringe Rolle – vorweisen. Wenn Hamburg dagegen bei den eigenen Rahmenbedingungen weiter aufrüstet, könnte der Hafen jedwede Konkurrenz überstrahlen – worunter nicht nur Bremen, sondern auch Lübeck leiden dürfte.
Den Hamburgern dürften solche Bedenken weitgehend egal sein. Sie blicken zurzeit ohnehin vor allem auf den europäischen Primus Rotterdam (7,1 Millionen TEU Containerumschlag). Zudem will die Hansestadt schon jetzt die Vorbereitungen treffen, um den Wettbewerb mit einem künftigen Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven zu begegnen. Aus Wilhelmshaven, einem Projekt, das der SPD-Senat bis 2001 noch wohlwollend begleitet hatte, hat sich Hamburg nach der Regierungsübernahme der CDU zurückgezogen. Stattdessen wird zur Gänze auf den eigenen Hafen gesetzt. Daher hat die Elbvertiefung für den Senat auch so eine zentrale Bedeutung: Sie wird als strategisches Mittel begriffen, Wilhelmshaven das Wasser abzugraben. Von einer norddeutschen Zusammenarbeit der Häfen ist man entfernter denn je.
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