berliner szenen Die Werber

Kosten sparen

Als ich neulich in den Hof ging, um mein Fahrrad zu reparieren, redete gerade ein schlaksiger Mann auf meine Nachbarin ein. Im Vorbeigehen verstand ich „ISDN“, „DSL“ und „bis zu 50 Prozent Kostenersparnis“. Als das Fahrrad repariert war, standen die beiden noch immer in der Tür. Die Nachbarin sah jetzt furchtbar müde aus. Der Mann steckte sich gerade seinen Kugelschreiber in die Innentasche seiner Lederjacke und sagte: „Sie werden es nicht bereuen.“

Ich stapfte mit gesenktem Kopf vorbei, schon aber wirbelte er herum und fragte: „Ärgern Sie sich auch jeden Monat über Ihre Telefonrechnung?“ Ich sagte: „Nix verstehen“ und befleißigte mich eines möglichst kruden Akzents. Der schlaksige Mann grinste gewinnend und sagte: „Macht nix. Haben Sie Telefon?“. Ich brachte erst einmal gar nichts hervor, brummelte dann „No telefon“ und machte eine bedauernde Miene. „Na, dann wird es aber höchste Zeit, junger Mann“, meinte der andere. „Sie haben doch sicher Familie, da wo Sie herkommen.“ Zur Illustration legte er sich die Arme um die Schultern und wiegte sich zärtlich in seinen eigenen Armen. „No famili“, sagte ich und noch etwas wie „scusa“ und stieg hoch in meine Wohnung.

Es dauerte keine fünf Minuten, bis es klingelte. Ich linste durch den Spion, da stand er. Seine Lippen bewegten sich, er übte seinen Text. Ich holte tief Luft und piepste: „Ich darf nicht aufmachen.“ Ich sah den Ärger auf seinem Gesicht. „Das musst du auch nicht, kleiner Mann“, meinte er, „Ist denn dein Papi zu Hause?“ – „Papi nich da“, sagte ich. Jetzt sah ich den Aha-Effekt auf seinem Gesicht. „Okay“, rief er, aber ich hörte auch noch, was er sagte, als er sich wieder der Treppe zuwandte: „Papi nich da. Von wegen nix famili.“ TOBIAS HERING