Lernspaß nach Plan

Schulsenator legt Entwurf eines Kita-Bildungsprogramms vor. Qualitätsmaßstab für Erziehung von Vorschulkids. Grüne und Wohlfahrtsverbände fordern verlässliche Finanzen für Personalausstattung

von SUSANNE LANG

Raus aus dem T-Shirt, rein in die Badeklamotten. Raus in den Garten, rein in das Bildungsprogramm: rennen, schwitzen, mit Wasser spritzen, Eis schlecken, ausruhen, erzählen. Ein typischer Kita-Vormittag, wie er in diesen Tagen vielleicht in vielen Berliner Kitas aussieht. Ein Vormittag, wie er auf jeden Fall unbedingt aussehen sollte, geht es nach dem Entwurf für ein neues Bildungsprogramm für Berliner Kitas, den Schulsenator Klaus Böger (SPD) gestern gemeinsam mit der Erziehungswissenschaftlerin Christa Preißing von der Freien Universität (FU) vorstellte. Als Leiterin der Arbeitsgruppe entwickelte sie gemeinsam mit Wissenschaftlern und Praktikern in Kooperation mit der Internationalen Akademie (INA) gemeinnützige Gesellschaft für innovative Pädagogik, Psychologie und Ökonomie den Entwurf.

Ziel des Programms ist es nach Ansicht von Böger, die Kitas als Bildungseinrichtung zu stärken und Erzieherinnnen in ihrer pädagogischen Arbeit zu unterstützen. „Wir brauchen Qualitätsmaßstäbe und eine systematische Qualitätsentwicklung auch für die vorschulische Erziehung“, betonte der Schulsenator. Eine Lehre aus Pisa müsse es sein, Kinder möglichst früh zu fördern ohne ihnen den Spaß am Lernen zu nehmen. Bis zum Jahresende soll der Entwurf von Experten, Kita-Trägern und Erzieherinnen diskutiert und gegebenenfalls dem Alltag weiter angepasst werden.

Das Programm legt erstmalig anhand von sieben Bildungsbereichen Leitziele für Bildung an Kitas fest, gibt Anregungen für ihre praktische Umsetzung und beschreibt Aufgaben von Erzieherinnen. Kernpunkte des Programms sind sieben Bildungsbereiche: Körper, Bewegung und Gesundheit – nach Ansicht von Preißing das „Herzstück“ des Programms, als „Motor für alle Bildungsprozesse“. Gefolgt von der zweiten Priorität Sprachen, Kommunikation und Schriftkultur, die bildungspolitisch Priorität haben, so Preißing. Weitere Bereiche sind „Soziales und kulturelles Leben“, „Bildnerisches Gestalten“, Musik sowie mathematische und naturwissenschaftliche Grunderfahrungen, die einen ersten Zugang zu systematischen und abstrakten Erfahrungen ermöglichen sollen. „Es geht nicht um frühes Rechnen Lernen“, betonte Preißing, sondern um erste Vergleiche: Was ist größer, was ist mehr, wie baue ich eine Sache auseinander und wieder zusammen.

Was in der Theorie kompliziert und aufwendig klingt, kann in der Praxis schon bei einem Vormittag mit Wasserspritzen, Eisessen und Erzählen umgesetzt sein. Bewegung, Spiele mit anderen Kindern und vor allem: darüber reden, Erfahrungen austauschen. So kann Bildung aussehen: spielerisches Lernen.

Für die Erzieherinnen ist dies aber trotz Bildungsprogramm noch keine spielerisch umsetzbare Aufgabe. Sie erfordert zwei Dinge, die im Kita-Alltag häufig fehlen: Zeit und gute Ausstattung. Ob manche zeitintensive Anregungen des Programms, wie etwa Sprachtagebücher, die die Entwicklung der Kinder dokumentieren, umsetzbar sind, ist nicht sicher. „An manchen Kitas gibt es durchaus Spielräume für eine verbesserte Erziehungsarbeit“, räumte Preißing ein. Problem bleibe, dass der größere Zeitaufwand im Personalschlüssel nicht berücksichtigt werde.

Zusätzliche Stellen wird es nicht geben, so viel ist nach Angaben des Schulsenators klar. Er hofft vielmehr, den Ist-Zustand halten zu können. Verdoppelt wurde im Zuge des Bildungsprogramms in diesem Jahr jedoch die Zahl der landeseigenen Fortbildungsplätze. Zugleich soll die Erzieherinnenausbildung reformiert werden.

Die Liga der Wohlfahrtsverbände (Liga) begrüßte als Träger vieler Kitas den Entwurf als „Schritt in die richtige Richtung“. Voraussetzung für gute Bildungsarbeit seien ein verbindlicher Finanzrahmen und Kontinuität. Dies gaben auch die Grünen zu bedenken und forderten verlässliche finanzielle Rahmenbedingungen für die Kitas. Die Qualität der Kindergärten habe sich erst zu Jahresbeginn durch verlängerte Arbeitszeiten und weniger Personal verschlechtert. Kinder dürften aber nicht nur als Kostenfaktor betrachtet werden, so Elfi Witte von der Liga, Hauptaugenmerk müsse auf Inhalt und Qualität der Kitas liegen.

Dieser Appell richtet sich wohl eher an den Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD), der laut Elfi Jantzen, Sozialexpertin der Grünen, weitere Kürzungen geplant hat. Von den 750 Millionen Euro Gesamtausgaben für die Tagesbetreuung wolle er rund ein Drittel einsparen.