Serbien verscherbelt Erdölindustrie an Russland

Gazprom übernimmt 51 Prozent des serbischen Erdölkonzerns NIS für 400 Millionen Euro. Viel zu wenig, so Kritiker

BELGRAD taz ■ Serbien verscherbelt sein Tafelsilber – an den russischen Staatskonzern Gazprom. Am Mittwoch werde Serbien in Moskau einen Vertrag über den Verkauf von 51 Prozent seines Erdölkonzerns NIS (Naftna Industrija Srbije) an die russische Gazprom-Tochter Gazpromneft für 400 Millionen Euro unterzeichnen, bestätigte am Dienstag Serbiens Premier Mirko Cvetković. Allerdings würden die Russen nur bis 2010 eine Monopolposition haben, danach soll der Erdölmarkt liberalisiert werden. Gazprom werde sich strikt an ein soziales Programm halten und 500 Millionen Euro in die NIS investieren. Zudem solle die Erdgasleitung Southstream durch Serbien bis 2015 gebaut werden. Letzteres würde Serbien wirtschaftlich nutzen, vor allem aber würde seine politische Bedeutung auf dem Balkan steigen.

Der Verkauf sei eine „politische Geste“ Serbiens an Russland, um sich für die Unterstützung im Konflikt um die inzwischen selbstständige frühere serbische Provinz Kosovo zu bedanken, kritisieren jedoch serbische Wirtschaftsexperten. Der serbische Staat übernimmt auch große Teile der Umweltkosten, die durch die überalterten NIS-Produktionsstätten entstehen. Nach unabhängigen Schätzungen ist der tatsächliche Wert dieses Aktienpaketes mehr als doppelt so hoch, als Gazprom jetzt zahlen will.

Das Energiestaatsabkommen zwischen Serbien und Russland hat nicht nur die serbische Öffentlichkeit und Experten, sondern auch die Regierung gespalten. Wirtschaftsminister Mladjen Dinkić verließ vergangene Woche demonstrativ die Verhandlungen mit Gazprom. Die Begründung: Der Verkauf von NIS für „lächerliche“ 400 Millionen Euro hätte nur im Paket mit dem Bau der Pipeline Southstream durch Serbien und dem Ausbau des Untergrundspeichers für Erdgas in Banatski Dvor einen Sinn, wie es im zu Jahresbeginn unterzeichneten Energieabkommen zwischen Belgrad und Moskau steht. Nun gehe es aber nur um einen separaten Vertrag über die Übernahme der NIS, und zwar ohne zusätzliche Garantien, dass der Rest des Energieabkommens je realisiert würde. „Nicht mit uns“, stellte Dinkić’ Partei „G 17 Plus“ gegenüber ihrem Seniorpartner in der Regierung klar, der von Staatspräsident Boris Tadić mit fester Hand geführten Demokratischen Partei.

Auch die regierende Liga der Sozialdemokraten der Vojvodina widersetzte sich heftig dem Geschäft mit den Russen. Den Verkauf der NIS bezeichnete die Liga als ein „widerrechtliches Verschenken“, das ein gesetzlich vorgeschriebenes Tenderverfahren umgeht und die Konkurrenz der Gazpromneft, die serbische ÖMV, die ungarische MOL und die kroatische INA ausgeschlossen hätte. Die Liga warnte davor, zwei Drittel des serbischen Energiemarktes den Russen zu überlassen. ANDREJ IVANJI

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