Stille Karriere unter Bernhard Vogels Obhut

Thüringens neuer Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) fiel bisher nur durch seine Nähe zur katholischen Kirche auf

Das Eichsfeld zwischen Südharz und Werra galt neben dem Lausitzer Sorbenland als die katholische Enklave in der DDR. Die Don Camillos in den Pfarrhäusern mancher Dörfer zählten die Genossen an den Fingern einer Hand ab und hatten „ihre“ Peppones fest im Griff. Klein-Bayern im Osten, bieder, bodenständig und manchmal bigott. In der heimlichen Hauptstadt des Eichsfeldes, in Heiligenstadt – nomen est omen – wurde 1958 Dieter Althaus (CDU) geboren, der heute zum Ministerpräsidenten von Thüringen gewählt wird. Hier ist er sozialisiert, hier liegt sein Wahlkreis, hierher fuhr er auch jüngst am Himmelfahrtstag zur traditionellen Männerwallfahrt am „Klüschen Hagis“. Er kam nicht nur, um zu beten, wurde gemunkelt. In diesen Tagen fallen schließlich Personalentscheidungen in der CDU.

Als Blockflöte kann Althaus gewiss nicht gelten. Aber seine Biografie illustriert einmal mehr, dass eine gewisse Anpassungsfähigkeit zu DDR-Zeiten besser für eine Nachwendekarriere prädestiniert als riskante Renitenz. Mit 27 Jahren trat Althaus der Ost-CDU bei. Als Diplomlehrer für Mathematik und Physik brachte er es zum stellvertretenden Schuldirektor und lehnte staatliche Auszeichnungen nicht etwa ab.

Die Bildungspolitik bestimmte auch die ersten Jahre von Althaus’ Aufstieg als Landtagsabgeordneter im neuen, alten Land Thüringen. Als Kultusminister gehörte er seit 1992 für fast acht Jahre schon der ersten Regierung Vogel an. Parallel dazu führte ihn eine Parteikarriere über den Kreis- und den Vizelandesvorsitz im Jahr 2000 an die Spitze der Landes-CDU. Nach der Landtagswahl 1999 hielt er als Vorsitzender der CDU-Fraktion Regierungschef Bernhard Vogel den Rücken frei. Seine Kronprinzenrolle galt seit langem als offenes Geheimnis. Auf dem CDU-Parteitag Ende Mai, auf dem Vogel seinen Rückzug ein Jahr vor der Landtagswahl 2004 bekannt gab, votierten 99 von 102 Delegierten für Althaus als Nachfolger.

An den politischen Aussagen von Althaus fällt auf, dass sie eigentlich durch nichts auffallen. Unions-Mainstream pur, nichts, was nicht woanders schon einmal gesagt oder geschrieben worden wäre. Geradezu anachronistisch mutet eine Rede vor dem Bund katholischer Unternehmer an. Der überzeugte Katholik versucht den Spagat zwischen der Idylle eines christlichen Menschenbildes und der gnadenlosen Wettbewerbsideologie unserer Tage. Thüringen erscheint dann als Gottes eigenes Land, was so daneben nicht ist. Hat doch die Landes-CDU bei Schulen, der sozialen Infrastruktur oder mit der katholischen Fakultät an der Erfurter Uni die Rekatholisierung des Freistaates forciert. In einem schwammigen Brief von Althaus an die CDU-Kreisverbände zum Irakkrieg hingegen war vom Geist des Evangeliums nichts zu spüren.

Entsprechend gedämpft fallen die Erwartungen an den künftigen Regierungschef aus. Die Oppositionsparteien SPD und PDS äußerten Zweifel, ob Althaus wirklich die angekündigten neuen Akzente setzen könne. Der designierte Regierungschef selbst hielt sich mit konkreten Vorhaben bislang zurück. Erstmals aus dem Schatten seines Ziehvaters treten konnte er aber jüngst im Mai, als er mit den Oppositionsführern Bodo Ramelow (PDS) und Christoph Matschie (SPD) eine Senkung des Quorums für Volksbegehren vereinbarte. MICHAEL BARTSCH