kunsträume:
Feiertage: Bis Anfang Januar sind die meisten Kunsträume und Galerien leider geschlossen. So stehen dem Kunstverbraucher im Wesentlichen „nur“ die staatlichen Museen und Ausstellungsorte zur Verfügung. Besonders publikumsfreundliche Öffnungszeiten hat dabei die Hamburger Kunsthalle: Sie ist selbst an Silvester und an Neujahr von 12 bis 18 Uhr geöffnet. So bietet sich nicht nur ein ruhiges und genaues Studium der italienischen Handzeichnungen in der Ausstellung „Von Leonardo bis Piranesi“ an, sondern auch ein Vergleich des Naturverständnisses zwischen dem erstaunlicherweise in der Galerie der Gegenwart präsentierten goethezeitlichen Landschaftsmaler Jakob Philipp Hackert und dem gleich nebenan gezeigten, auf die städtische Restlandschaft fokussierten „Arkadia Block“ des ganz gegenwärtigen, 1960 geborenen Kölner Künstlers Heribert C. Ottersbach. Erinnerung 1 – Henning Christiansen: Kurz vor Weihnachten wurde er auf der dänischen Insel Mön begraben. Mit einigem Aufwand, denn der grüne, schiffsförmige Sarg passte ohne Sägen nicht in die Grube: Nach 76 Jahren ein sehr performativer Schlusspunkt zum Leben von Henning Christiansen. Der Musiker und Kunstperformer war in den sechziger Jahren einer der Mitbegründer der FLUXUS- Bewegung und gestaltete unter anderem den Sound zu fast allen Auftritten von Joseph Beuys. Von 1985 bis 1997 war er Professor für Multimedia an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg. 2001 wurde er mit einer Werkschau im dänischen Pavillon der Biennale von Venedig geehrt. Trotzdem ist sein entscheidender Beitrag zur Geschichte der Aktionskunst bis heute leider noch unterbewertet. Erinnerung 2 – Wlodek Bzowka: Genau vor einem Jahr, nach Weihnachten 2007, verunglückte er im Alter von nur 28 Jahren tödlich: Der in Polen geborene Hamburger Künstler Wlodek Bzowka hatte ein DAAD-Stipendium in Tokio, wurde dort aber von einem Lastwagen überfahren. Es scheint eine grausame Rache der Realität an einem Künstler, der eine neue Methode gefunden hatte, seine intensive Beschäftigung mit der Virtualität digitaler Welten ins Feld abstrakter Malerei zu überführen und durch solche Transformationen unbekannte Raumkonzepte und verwirrende Realitätsmöglichkeiten zu erzeugen. Wlodek Bzowka wird weiterhin von der Galerie Xprssns in der Bernstorffstraße 148 vertreten. Rückblick: Die interessanteste und teuerste Ausstellung in Hamburg 2008 war zweifellos die Schau der magisch strahlenden Bilder von Marc Rothko – auch wenn die Hängung und die Konfrontation mit einigen kunsthistorischen Bezugsbildern von Bonnard und Caspar David Friedrich in der Kunsthalle äußerst zweifelhaft war. Ansonsten ist es wieder ein weiteres Jahr gelungen, die vorwiegend durch Selbstausbeutung betriebene Off-Szene zu erhalten. Auch das kühne Projekt „Kunstverein Harburger Bahnhof“ konnte überleben und ein Theorie-Ort wie „Blau – Zimmer für Kunst und andere“ gar seine 100ste Veranstaltung feiern. Ausblick: Es zeichnet sich ab, dass die ab 29. Januar in der Kunsthalle gezeigte Ausstellung MAN-SON zum Thema des Einbruchs des tödlichen Terrors in die blumenschöne Hippiewelt von 1969 spannend werden wird. Aufmerksam wird auch das Schicksal der Kunst in der Großen Bergstraße zu verfolgen sein und das, was mit dem SKAM am Reeperbahneingang passieren wird. Gespannt sein darf man auf das Programm, das Florian Waldvogel als neuer Leiter für den Kunstverein plant. Wichtig ist zudem die Frage, was nach dem Weggang von Robert Fleck zur Bundeskunsthalle in Bonn wohl mit den Hamburger Deichtorhallen wird. Wird die Stadt es schaffen, mit dem äußerst knappen Etat einen guten Kurator zu finden? Und wer überhaupt wird den Mut haben, zu derartig schlechten Konditionen für Europas größte Halle für Gegenwartskunst ein einer Weltstadt gerechtes Programm zu entwerfen? Wunsch: Der Autor wünscht sich für 2009, dass in drohend kommenden Krisen die notwendige Finanzierung von Kunst nicht mit schnöden Argumenten ganz unter die Räder gerät, aber auch, dass nicht aus marktschreierischen Gründen Ausstellungskonzepte und Veranstaltungstitel oft so viel mehr versprechen, als sie halten können. Und sicher wünschen wir allen Lesern dieser Rubrik ein schönes Neues Jahr mit phantastischen Kunsterlebnissen. HAJO SCHIFF
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