Kulturbrauerei wird polnisch

So viel polnische Kunst auf einmal war noch nie: Mit „Terra Polska“ übernehmen ab Dienstag polnische KünstlerInnen die Kulturbrauerei. Gleichzeitig gibt es Expeditionen in das polnische Berlin

VON IZABELA JOPKIEWICZ

„Die Deutschen müssen sich daran gewöhnen, dass junge polnische Künstler in Zukunft zwanglos nach Berlin kommen“, sagt Thomas Herr. Ab kommenden Dienstag haben sie dazu auch Gelegenheit – „Terra Polska“, das Festival junger polnischer Kunst in Berlin. „Wir laden alle zu diesem Festival ein“, sagt Herr, „auch die, die bis jetzt nichts mit polnischer Kultur zu tun hatten.“

Und wirklich, Thomas Herr, der Kurator des Festivals, verspricht nicht zu viel. Von Theater und Film über Musik und Kunst bis zu Outdoor Events und Literatur – sechs Tage lang wird die Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg tatsächlich eine „Terra Polska“, ein Boden, auf dem polnische Kultur blüht. Was in Polen hip ist, aber noch nicht Mainstream, ist hier vertreten. Über 40 Veranstaltungen wird es vom 20. bis zum 25. April geben. Nach all den Jahren, in denen man bislang eher zu wenig als zu viel polnische Kunst sehen konnte, hat man nun die Qual der Wahl.

Zum Beispiel in der Musik: Jazz, Ethnofolk, Rock, Elektronik. Alle diese Stilrichtungen, außer Elektro, kann man auf dem Konzert der Band „Raz, Dwa, Trzy“ hören (siehe Kasten). Die Stimme von Adam Nowak fügt sich genial an – sowohl in den Liedern, die voller Energie sind, als auch in den lyrischen und nostalgischen Bühneneinlagen.

Die polnische Theaterszene wird von fünf Gruppen repräsentiert. Das Akionstheater Strefa Ciszy aus Poznań zeigt seine berühmteste Inszenierung gleich zweimal. „Judasze“ (Gucklöcher) hat eine polnische Hochzeit zum Thema. Zu diesem Straßenteater ist jeder eingeladen. Für den Regisseur Adam Ziajaski gibt es keinen Unterschied zwischen den Schauspielern und dem Publikum.

Die Künstlerin Anna Krenz will in ihrer Ausstellung „Polnische Frau“ in der Galerie Zero polnische Frauen nach Westeuropa exportieren. „Ich hab schon viele Männer aus dem Westen kennen gelernt, die gerne eine Polin heiraten würden, da sie gut kochen, die Wohnung aufräumen, sich um die Kinder kümmern“, erzählt Anna Krenz. Die Künstlerin spielt mit diesem Klischee, indem sie Fotos von polnischen Frauen zeigt und dem Zuschauer ermöglicht, sich selbst das Bild einer idealen Gattin aus Polen zu basteln. Mit Hilfe verschiedener Körperteile kann man ein Mannequin in eine Blondine oder Brünette verwandeln und es mit größerem oder kleinerem Busen „ausrüsten“. Nach der Vernissage am 22. April wird ein Seminar zum Thema Feminismus in Deutschland und Polen stattfinden.

Für die, die neue Informationen gerne auf einer Reise sammeln, schlagen die jungen polnischen Künstler die „Expedition Berlińska“ vor. Auf einer dreistündigen Erlebnisfahrt erzählt der eloquente Reiseführer Geschichten aus dem polnischen Berlin, vergisst aber auch nicht die Unterhaltung. Im Laufe der Reise veranstalten die „Touristenbetreuer“ Performances und Musikeinlagen.

Die Buchliebhaber haben die Möglichkeit, Dorota Masłowska, das 22-jährige „Fräuleinwunder“ der polnischen Literatur, kennen zu lernen. Zu ihrem Roman „Schneeweiß und Russenrot“, der gerade auf Deutsch erschien, stehen Masłowska und ihr Verleger Paweł Dunin-Wąsowicz am 23. April Rede und Antwort.

Fragt sich am Ende nur, warum so viel Kunst erst jetzt? „Angesichts des 1. Mai ist das ein symbolträchtiges Festival“, sagt Thorsten Wöhlert, Sprecher von Kultursenator Thomas Flierl (PDS). „Und das finden wir wichtig für Berlin.“