Wieder zurück in die Grauzone

Der Steuerprozess gegen Max Strauß scheint dorthin zu steuern, wo er begonnen hat: in das undurchsichtige Geflecht zwischen Wirtschaft und Politik

AUS MÜNCHENJÖRG SCHALLENBERG

Max Strauß, Sohn des früheren bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, hatte in letzter Zeit wenig zu lachen. Seit September ist er wegen Depressionen in psychiatrischer Behandlung, in Augsburg steht er seit Januar wegen vermeintlicher Steuerhinterziehung in Millionenhöhe vor Gericht, und morgen wird vor dem Münchner Landgericht ein weiterer Prozess gegen ihn wegen Beihilfe zum Anlagebetrug eröffnet. Doch die jüngsten Entwicklungen dürften selbst ihm ein Lächeln abringen.

Schon seit längerem beharrt der Waffenhändler und politische Lobbyist Karl-Heinz Schreiber darauf, dass jene Millionen, die er Ende der Achtziger- bis Anfang der Neunziger-Jahre auf einem Schweizer Konto deponierte, nicht für Max Strauß, sondern für die CSU bestimmt waren. Jetzt hat der Vorsitzende Richter Maximilian Hofmeister erstmals deutlich darauf reagiert: „Der Inhaber des Kontos könnte auch ein Beauftragter der CSU und nicht Max Strauß sein. Es könnte sein, dass Ermittlungen notwendig und für Herrn Strauß erfolgreich sind.“

Es wäre möglich, bemerkte Strauß-Verteidiger Wolfgang Dingfelder, dass Edmund Stoiber vor Gericht erscheinen müsste. Wenn der amtierende bayerische Ministerpräsident im Augsburger Steuerprozess aussagen müsste, dann bedeutet das Hoffnung für Max Strauß – und Genugtuung. Denn schon lange empfinden er und seine Geschwister es als unangemessen, wie sehr sich Stoiber, lange Jahre enger Mitarbeiter und Vertrauter seines Vorgängers Franz Josef Strauß, sich später von dessen Amigosystem distanziert hat. Mit der CSU-Variante aber wäre das an Merkwürdigkeiten und Irrwegen wahrlich nicht arme Verfahren auch wieder da angekommen, wo es begonnen hat: in der Grauzone zwischen Wirtschaft und hoher Politik.

Im Kern geht es bei dem Prozess zwar darum, ob Strauß von Schreiber Millionenprovisionen für den Verkauf von Airbus-Flugzeugen nach Thailand und Kanada kassiert und das Geld nicht versteuert hat, doch letztlich ist das Verfahren nur ein sehr prominenter Seitenaspekt jenes undurchsichtigen internationalen Netzwerks um die Geschäfte von Karl-Heinz Schreiber. Das Geflecht, dem die Staatsanwälte und Steuerfahnder dabei auf die Spur kamen, reichte in so ziemlich jeden großen Politskandal der vergangenen Jahre hinein.

Über Schreiber flog der CDU-Spenden- und Schwarzgeldskandal auf, über ihn wurden Bestechungen im Zusammenhang mit Panzerverkäufen nach Saudi-Arabien publik, enge Gewährsleute von Schreiber wie der Kaufmann Dieter Holzer waren maßgeblich in die Affäre um den Verkauf der Leuna-Werke an die französische Gesellschaft Elf Aquitaine verwickelt.

Da es zwischen den beteiligten Personen dieser Skandale und des Strauß-Prozesses reichlich Überschneidungen gibt und da man immer wieder auf die gleichen Briefkastenfirmen und Konten in Liechtenstein oder der Schweiz stößt, verwundert es kaum, mit welchen Hindernissen das Steuerverfahren gegen Max Strauß zu kämpfen hat. In dieser Woche etwa ging es um eine Computerfestplatte, die rechtzeitig vor einer Hausdurchsuchung Anfang 1996 bei Strauß gelöscht wurde und später auf rätselhafte Weise verschwand, nachdem sie bei einer englischen Spezialfirma untersucht worden war – ohne Ergebnis, wie es lange hieß. Dann aber tauchten zu Prozessbeginn plötzlich Notizzettel über Datenreste auf der Festplatte auf, die Strauß belasten. Vor wenigen Tagen bezweifelte nun jener Augsburger Computerexperte, der die Festplatte einst im Auftrag der Staatsanwaltschaft nach England schickte, die Authentizität dieser Notizen. Die brisanten Funde hätten nach der darauf beschriebenen Methode gar nicht ermittelt werden können. Andere Zeugenaussagen belegen, dass Max Strauß vor Hausdurchsuchungen gewarnt wurde. Wegen solcher Lecks ließ die Staatsanwaltschaft sogar die Steuerfahndung durchsuchen.

Den wichtigsten Zeugen aber, Karl-Heinz Schreiber, bekommt das Gericht nicht zu fassen. Mehrere Auslieferungsanträge zwischen Augsburg und Kanada gingen merkwürdigerweise verloren. Die kanadische Justiz sah sich schließlich wegen „Überlastung“ außerstande, den Antrag zu bearbeiten. Immer deutlicher ist im Laufe des Prozesses die Hilflosigkeit einer weitgehend an nationale Grenzen gebundenen Justiz bei internationalen Verwicklungen geworden. Das Fürstentum Liechtenstein lehnt Rechtshilfe bei Steuerverfahren ab, dazu müssen Richter und Staatsanwälte stetig den Erkenntnissen von Journalisten oder den privaten Recherchen des Strauß-Bruders Franz Georg hinterherhecheln, die diverse Beteiligte längst befragt haben – lange bevor das Gericht es konnte.

Doch in wenigen Tagen könnte Entscheidendes passieren. Dann vernimmt das Augsburger Landgericht den Hauptbelastungszeugen Giorgio Pelossi, einst Schreibers rechte Hand. Dazu muss die Kammer in die Schweiz reisen, denn Pelossi möchte wegen Verwicklungen in das Schreiber’sche Konglomerat nicht nach Deutschland kommen. Es mag die Richter trösten, dass sich immerhin der mögliche Zeuge Edmund Stoiber kaum ins Ausland absetzen dürfte.