: Keine Alleinherrschaft
Herrschende im Kollektiv: In „Das Leben der Cäsaren“ auf Kampnagel demontieren Showcase Beat Le Mot und das mazedonische Nationaltheater Bitola gängige Klischees
„Access denied“ tönt es in unregelmäßigen Abständen aus dem Megacomputer. Den hat Augustus Cäsar (Sonja Mihajlova) aus dem fernen Palästina mitgebracht, um Rom zu helfen. Fehlanzeige. Sie können den Code nicht knacken. Und das, obwohl sie sich redlich mühen: Sie hoppeln wie die Häschen über den Teppich, trampeln mit ihren Partytänzen auf der Wölfin herum, die Romulus und Remus säugte. Jetzt, zu Zeiten der Dekadenz, liegt sie nur noch reglos auf dem roten Kurzhaarteppich, als Parkettfußboden. Während der selbsternannte Künstlercäsar Nero (Petar Micevski), der grausame Caligula (Ognen Drangovski), der quasi göttliche Claudius (Martin Mircenski) und eben Augustus, Tyrann aus Weisheit, sich aneinander reiben, zusammen mit der Edelhure Livia (Elena Mose) und deren ergebener Zaubernymphe (Sonja Osavkova). Die Cäsarenbande führt vor: Sex Machine – lustloses Rubbeln im Auftrag der Lust, dafür ausdauernd und ewig lang. So lang, dass die Langeweile sogar das Publikum befällt.
Nach der Pause wird man für sein Durchhaltevermögen belohnt. Da versucht Nero nämlich, Claudius als Gott zu inszenieren. Der gute Mann flattert in Schießerunterhose und Alu-Toga hin und her, zwischendurch imitiert er Posen antiker Statuen. So bricht sie endlich durch, die Ironie, angelegt ist sie zwar auch in den Hüftschwüngen der ersten Halbzeit, aber da wirkt sie gewollt, entfernt sich zu weit vom Cäsar-Klischee, so dass die Groteske nicht funktioniert.
Das Regie führende Performancekollektiv Showcase Beat le Mot lässt seine Schauspielerkollegen vom alteingesessenen mazedonischen Theater Bitola als Cäsarenkollektiv auftreten. Allein diese Ansammlung schriller Typen in Nerz, Herrenanzug und Sonnenbrille unterwandert die Idee des Cäsaren: Im Kollektiv gibt es keine Alleinherrschaft. Tolle Idee, nur hält sich das Stück viel zu lange an der Oberfläche auf, zieht erst richtig an mit dem Auftritt des dicken Mannes, genannt Schlafende Schönheit (lko Stefanowski). Dieses Schneewittchen zeigt, wo es lang geht, stellt die Fragen, die an den Anfang gehört hätten: „Das wahre Empire kennt keine Grenzen, es darf kein Zentrum haben. Es umarmt alles und jeden.“ Jetzt hätte die Auseinandersetzung mit dem zeitlosen Thema Machtmissbrauch beginnen können. Was bleibt? Der schön gesungene Schlager Sweet Dreams. KATRIN JÄGER
weitere Vorstellungen: 6., 7., 11. bis 14.6., 19.30 Uhr, Kampnagel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen