OK – „Alles fest im Griff“

Berliner Polizei und Justiz geben Auskunft über die organisierte Kriminalität in Berlin. Geboten wurden viele Zahlen – aber wenig Infos zu den spannenden Fragen nach Bank und Banden

von PLUTONIA PLARRE

Nach den aufgeregten Zeitungsberichten der letzten Wochen, wonach ausländische Banden die Stadt für kriminelle Aktivitäten unter sich aufzuteilen versuchen, wirkte die Veranstaltung ein bisschen wie eine Beruhigungspille. Justizsenatorin Karin Schubert (SPD), Innensenator Ehrhart Körting (SPD), Generalstaatsanwalt Dieter Neumann und Polizeipräsident Dieter Glietsch traten gestern vor die Presse, um das gemeinsame Lagebild von Justiz und Polizei zur organisierten Kriminialität (OK) mit mehr oder weniger gleichen Worten zu beschreiben: Die OK in Berlin bewege sich zwar weiterhin auf hohem Niveau, Polizei und Staatsanwaltschaft hätten aber alles fest im Griff.

Die Zahl der Ermittlungskomplexe sei von 120 im Jahr 2001 auf 96 im vergangenen Jahr zurückgegangen, hieß es. Hinter der Zahl 96 verbergen sich 6.355 Einzelstraftaten, 2001 waren es 4.574. Führend im Bereich OK sind nach wie vor die Eigentumsdelikte (Anteil 22,3 Prozent) wobei der organisierte Kraftfahrzeugdiebstahl und die Verschiebung der Wagen ins Ausland führend sind. Danach kommen der Rauschgifthandel (21,5 Prozent), Kriminalität im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsleben (16,1), Schleuserkriminalität (9,2) und Fälschungskriminalität (7,6). Bevorzugt gefälscht werden Kredit- und Zahlungskarten und Kfz-Papiere, ebenso Euro-50er.

Die Tatverdächtigen stammen aus 41 Staaten. 39,4 Prozent besitzen die deutsche Staatsbürgerschaft, gefolgt von den Exjugoslawen (13,5) Polen (11,9), Türken ( 10,8) und Kamerunern (4,7). Bei der Betrachtung der einzelnen Deliktgruppen ergeben sich zum Teil andere Verhältnisse. Mit einem Anteil von 42,2 Prozent sind die Vietnamesen zum Beispiel bei den organisierten Gewaltdelikten wie Totschlag, Nötigung und Körperverletzung führend. Der Rauschgifthandel wird zu 59,3 Prozent von deutschen Staatsbürgern dominiert. Zahlen über Zahlen.

Die Frage, ob der Komplex Bankgesellschaft zur OK gehöre, wurde nicht beantwortet. Generalstaatsanwalt Neumann wehrte die Bankenfrage mit den Worten ab: „Es handelt sich um ein schwebendes Verfahren, über das noch keine rechtliche Bewertung abgegeben werden kann.“

Auch Fragen nach den Türsteherbanden blieben ohne Antwort. Hintergrund ist die unlängst veröffentlichte Analyse eines Kripo-Inspektionsleiters, wonach eine Hand voll einschlägig bekannter kurdisch-libanesischer Großfamilien die Türsteher- und Drogenszene in der Hauptstadt unter sich aufzuteilen versucht. Die in einer Fachzeitschrift veröffentlichte Analyse hatte in den Medien vor ein paar Wochen viel Beachtung gefunden, nachdem ein Polizist erschossen worden war, als das Sondereinsatzkommando in einer Wohnung einen Angehörigen des Clans festnehmen wollte.

Etwas auskunftsfreudiger zeigte sich am Rande der Pressekonferenz wenigstens der Abteilungsleiter für OK im Landeskriminalamt, Uwe Schmidt. Die Ermittlungen gegen die Clans seien nicht im Bereich OK angesiedelt, weil sie nicht der formalen Voraussetzung für diese Zuordnung entsprächen. Um bei OK zu landen, müssen die Staftaten unter Verwendung geschäftsähnlicher Strukturen sowie mit Hilfe einschüchternder Mittel erfolgen oder unter Einflussnahme auf Politik, Medien oder Verwaltung. Das Berliner Landgericht habe sich in der Vergangenheit geweigert, eine Familienstruktur als Merkmal für OK anzuerkennen, sagt Schmidt, der die Kriterien für reformbedürftig hält. Das Bespiel der im kriminellen Türstehermilieu tätigen Gruppen zeige, dass die Übergänge von der Banden- zur organisierten Kriminalität fließend seien. Zur Bankgesellschaft wollte aber auch Schmidt nichts sagen.