Wahlabstinenz als Notbremse

Slowakischem Expremier Meciar scheint der Sieg bei den Präsidentenwahlen sicher

PRAG taz ■ In der Slowakei wird zurzeit viel über das kleinere Übel diskutiert. Genau darüber müssen die Slowaken entscheiden, wenn es am Samstag gilt, einen neuen Staatspräsidenten zu wählen. Heißer Favorit ist Expremier Vladimir Meciar, der mit 32 Prozent der Stimmen als Sieger aus dem ersten Wahlgang vor zwei Wochen hervorging. Sein Gegner, Ivan Gasparovic, wird als nicht viel kleineres Übel betrachtet. Der Exparlamentspräsident war einst die rechte Hand Meciars und spaltete sich vor zwei Jahren von dessen Partei, der „Bewegung für eine demokratische Slowakei“ ab.

Die Slowaken fragen sich nun, ob sie überhaupt wählen sollen. Denn das allerkleinste Übel wäre eine Beteiligung von unter 30 Prozent und damit ungültige Wahlen. Eine Rechnung, die nicht unbedingt aufgehen muss. „Meciars Anhänger werden wählen gehen“, sagt Michal Vasecka vom Institut für öffentliche Fragen in Bratislava. „Und es gibt genug von ihnen, um Meciar zum Präsidenten zu machen.“

Der Westen hatte Meciar, einen populistischen Eiferer, längst vergessen geglaubt, nachdem er bei den Parlamentswahlen 1998 von einer bunt zusammengewürfelten Koalition, auf die Oppositionsbänke verbannt worden war. Nur war er, trotz eines tränenreichen Abschieds im slowakischen Fernsehen, nie richtig von der Bildfläche verschwunden. „Vor allem in der Mittelslowakei hat Meciar eine große Fangemeinde“, weiß Soziologe Vasecka. Dort, in den Dörfern und brach liegenden Industriegebieten, wird der Exboxer fast wie ein Volksheld verehrt.

„Die Leute dort mögen einen starken Mann, der auch mal mit der Faust auf den Tisch klopft, und Meciar verkörpert genau das“, meint Vasecka. Unter seinen Wählern seien vor allem Rentner und Leute mit niedrigem Bildungsniveau. Aber auch erstaunlich viele Frauen. „Meciar schafft es immer wieder, nicht nur den starken Mann, sondern auch das schutzbedürftige Opfer zu mimen“, erklärt Vasecka. „Das kommt bei Frauen an.“

Vielleicht wollte Meciar seine Wählerinnenschaft vergrößern, vielleicht hat er nur bei seinem Vorbild Berlusconi abgeguckt. Jedenfalls unterzog er sich vor den Wahlen eine Verjüngungskur, aß Vitamine, ging zum Visagisten und färbte sich die Haare.

Dass Meciar in die Stichwahl gekommen ist, hat in der Slowakei niemanden überrascht. Wohl aber, dass sein Gegner im Endspiel um das höchste Staatsamt Ivan Gasparovic heißt. Bis zu den Wahlen hatten Umfragen den Regierungskandidaten, Außenminister Eduard Kukan, vorn gesehen. Diesem wurden große Chancen vorhergesagt, als wirklich kleineres Übel gewählt zu werden. Nur blieben viele Slowaken beim ersten Wahlgang lieber zu Hause, die Wahlbeteiligung lag gerade bei 48 Prozent. Außerdem hatte die Regierung von Premier Mikula Dzurinda in ihrer schon fast traditionellen Uneinigkeit einen zweiten Kandidaten aufgestellt, der Kukan die nötigen Stimmen wegnahm.

Im Gerangel um die beiden Regierungskandidaten war Gasparovic der lachende Dritte. Mehr einen Hahnen- als einem Wahlkampf glich denn auch die letzte Phase der Kampagne. „Zuerst kriechst du Leuten in den Hintern, und dann verrätst du sie“, erboste sich Meciar während einer Radiodiskussion gegenüber Gasparovic. Dafür möge ihn der Westen aber viel lieber, konterte der. Während Meciars Regierungszeit war die Slowakei vom Rest Europas isoliert. Nicht nur, dass sie die Kriterien weder für EU- noch für Nato-Beitritt erfüllte. Auch wurde Meciar oft für seinen autokratischen Führungsstil kritisiert. ULRIKE BRAUN