: Benno Schirrmeister über Underwater-Archäologie im Krisensee
Die überflutete Zukunft
Preventive Finding – so nennt Agneta Faber-Ekström vom Bremer bimanis Underwater-Research Center for Archaeology ihre neueste Expedition: Sie will die Legenden um den so genannten Space Park im Krisensee beseitigen
„Schmeck mal“, sagt sie. Fragender Blick. „No, no, it’s alles getestet. Kontamination: zero.“ Surprise: Brackig, salty, das gelbe Wasser des so genannten Krisensees.
Salzig, und das trotz gut 30 Kilometer Distanz zum Meer: Noch immer gibt das 2010 durch einen Meteoriteneinschlag entstandene Gewässer geologische Rätsel auf. Superschmal der Landstreifen zwischen dem Krisensee und dem Süßwasser der guten alten Weser. Und just nur einen knappen Kilometer südlich ragt die berühmte Riesenkugel in den Himmel: Bremen-Übersee-Town. Dennoch: „It’s richtiges Meerwasser“, sagt sie, „und unter diesen Wellen liegt der so genannte Space Park.“
Agneta Faber-Ekström, 32, hat sich die Herrschaft über den umkämpften Markt des submarinen Bergungswesens gesichert. Sie ist Gründerin und seit 7 Jahren Chefin des bimanis Underwater-Research Center for Archaeology (bURCA). Nur noch selten streift sie selbst die Jolly-JellyTex®-DivingSuite über: die Managementaufgaben. Aber, sagt der Wissenschaftsstar, „diese Story ist zu faszinierend“. Denn: „Damit betreten wir Underwater-Neuland.“
Neuland! Und das von Faber-Ekström, berühmt durch spektakuläre Funde und Bergungen: Cortes-Flotte, 2022 im Südatlantik, Wert: 30 Milliarden Euro, Cleopatra-Palace 2024 im Mittelmeer, Wert: 200 Milliarden. Und zuletzt 2027 der Koloss von Rhodos im Mittelmeer, Wert 1,5 Milliarden – „mein Lieblingsbaby“, wie sie sagt.
„Nur Geld. It’s nicht immer das Wichtigste.“ Faber-Ekström zeigt auf den Salzsee: „Hier auch: Manchmal geht die Forschung vor.“ So kann nur sprechen, wer über sichere Finanzen verfügt: Das bURCA erwirtschaftet seit 5 Jahren Gewinne – durch so genannte Bergings on Demand. Normund Bimanis ist quasi Alleininhaber des Centers: Der Billiardär sponsert das Diving Center generös und ist sein bester Abnehmer. Die Fundstücke baut er in seinem Bimanis History Garden Riga auf. Einen kostenintensiven Einsatz lehnt Bimanis diesmal aber ab. Die erwarteten Funde, sagt er, seien nicht von so großem Interesse. „Kein Mensch wird das Ding sehen wollen.“ Selbst nicht in der geplanten Garden-Dependance in der Nord-Region: „Kein Platz für diese Space-Monstrosität.“
Agneta Faber-Ekström öffnet die Jolly-JellyTex®-Dosen. Sie beginnt sich das Jolly-Jelly über die Haare zu gießen. Ein eigenartiges Gefühl: Das Tex legt sich über die Kleidung, aber scheint sie dabei aufzulösen: Die Haut beginnt die Luft und das Wasser zu spüren. Aber wie funktioniert das? Der Mund müsste doch auch umschlossen sein – wie soll man da noch sprechen können? „Die Kommunikation erfolgt via Gedanken-Amplifier“, schwingt es beruhigend im Hirn. „Geh jetzt einfach mit mir ins Wasser.“
Triumph in der Tiefe
Steil fallen die Wände ab, dicht sind sie besiedelt: rosé, blau und rot, Korallen, Fischschwärme. „Nach meinen Informationen“, legen sich die Gedanken der Forscherin in den Beobachtungsstrom, „befinden sich mehr Lebewesen im Krisensee, als während seines Bestehens den Space Park aufgesucht haben.“ Wie viele das waren? „Als gesicherte Zahl haben wir 350.000.“
Triumph in 250 Meter Tiefe: „That’s it: Mit Abstand mein jüngster Fund – jünger als ich.“ Die Ruinen stammen vom Anfang des Jahrhunderts. Dicht bewachsen ein Plateau, dahinter ein gedrungener Bau mit kreisrundem Fenster und nah dran ein langer, rostiger Gegenstand. „ ‚Fund‘ ist nicht einmal das richtige Wort: Hier brauchten wir nicht zu suchen“, markiert Faber-Ekström die Differenz. „Wir wussten vor dem Start genau, was die Flut verbirgt.“
Überraschend, wie unversehrt das Bauwerk ist. „Scheint nicht direkt vom Meteoriten getroffen“, klärt sie auf. „Wahrscheinlich einfach danach abgesackt.“ Doch das Gemäuer sei komplett uninteressant. Was Faber-Ekström will: beweisen, dass nicht der Untergang, sondern der Bau einst den Bankrott des Landes Bremen verursacht hat – obwohl gerade er ihm doch eine gloriose touristische Zukunft hätte sichern sollen. „Das sind die absoluten Wurzeln des Nord-Staats. Da dürfen wir keine Legenden tolerieren.“
Damit spielt sie auf die okkulten Theorien über den Untergang des Space Parks an, die vom Bremer Separatistenführer Jens Eckhoff verbreitet werden: etwa dass das Gebäude eine so starke Ausstrahlung gehabt hätte, dass es den Meteoriten angezogen hätte. „Das ist tiefstes Mittelalter – man kann genauso vertreten, Gott hätte Bremen eine Strafe gesandt.“
Aber wo ist der Nutzen der Expedition? „Es ist zwar unüblich, Forschung ohne direkte Verwertung zu denken, aber legitim. Ich setze damit eine methodischen Grenzstein.“ Denn damit stoße Archäologie auch in die jüngste Geschichte vor – ein Wachstumsmarkt. „Ich nenne es ‚Preventive Finding‘. Hauptsache, es gibt die Wahrheit: Dann ist sie auch zu etwas nütze.“
Elegant schwingt Agneta Faber-Ekström sich in Richtung Haupteingang. „Komm her und hilf mir“, schnarrt es im Kopf. Zwei Eleon-Spatel legen das Glas frei. Unversehrt. Sie leuchtet ins Dunkel. Eine eckige Platte. Beherzt greift ihre Hand nach dem moosigen Schild. Es ist mit einer Metallkette befestigt. Die rostigen Glieder geben nach. „Spatel!“ Gelbes Plastik, bedruckt. Sie überfliegt den Text. „Das ist der Beweis!“, elektroschockt sie und reicht die Tafel weiter. „Der gesamte Space Park“, steht da, „bleibt wegen mangelnder Nachfrage bis auf weiteres geschlossen.“ Ihre Gedanken durchdringen das trübe Wasser: „Weiterlesen!“ In der Tat: Die Tafel ist sogar datiert. In kleinerer Schrift – aber eindeutig: „2. Januar 2005“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen