Ulrike Winkelmann über neue Gefühle und die Probleme beim Partnervertragsrecht

„Feuer, das alles treibt. Ein starkes, klares, das ewig bleibt“

Die politmediale Aufregung der vergangenen Wochen um die Reform der Partnerverträge beweist zweierlei: Erstens ist das Partnervertragsrecht als Liebessteuerungsinstrument untauglich. Zweitens lässt sich über Geschlechterbeziehungen immer noch nicht ohne Ansehen der Geschlechter reden. Männer und Frauen wollen Unterschiedliches.

Gut gemeint war das Partnervertragsrecht, als es 2019 aus der Taufe gehoben wurde. Die staatlichen Vergünstigungen für die Ehe sollten nur noch Paaren zukommen, die sich zur Kindererziehung verpflichten – okay, das war Konsens. Da erschien es unlogisch, die Mehrheit der kinderfreien Paarbeziehungen im rechtlosen Raum zu lassen.

Insbesondere studierte Paare mit anstrengenden Berufen nutzten die Partnerschaftsregelung begeistert. Welche Gewähr hätte eine viel beschäftigte Frau sonst, dass sich die Zeit- und Gefühlsinvestition in irgendeinen Partner lohnt, wenn dieser sich dann weigert, mit in Urlaub zu fahren? Woher wüsste der Mann, der viel lieber allein Angeln ginge, dass sich der gemeinsame Urlaub lohnt, wenn er sich keine sexuelle Treue garantieren lassen könnte?

Liesenjohn vs. Knipschild

Der berühmt gewordenen Prozess Liesenjohann gegen Knipschild illustrierte bald darauf, wie sauber das neue Recht funktionieren konnte. Knipschild, damals 34, formulierte vor Gericht: „Wenn meine Partnerin untreu ist, langweile ich sie offenbar. Wenn ich sie aber langweile, obwohl ich die vertraglichen Ansprüche erfülle, hat sie bislang nicht alle ihre Ansprüche benannt. Will sie diese festgeschrieben haben, verlange ich, dass sie wieder die Hälfte der Reiseverpflichtung zwischen unseren Wohnorten übernimmt.“ Noch vor einer Generation hätte ein Mann für derart klar und knapp formulierte Forderungen drei Jahre Therapie gebraucht!

Und doch hatte das Partnervertragsrecht von Beginn an große Mängel, die nun bald seinen Untergang besiegeln dürften. Die Konzentration auf Bindungsfaktoren wie Urlaub, sexuelle Treue, geteilten Wohnraum und Datenspeicher blendet aus, dass Beziehungen mehr sind als das. Das Partnerrecht hat schlicht die Pflege der weichen Faktoren ignoriert. Doch Kaffeekochen mit Milchaufschäumen am Sonntagmorgen, Gießen von Balkonblumen oder die Pflege des Kontakts zu Freunden und Familie sind überhaupt nicht zu unterschätzen.

Wie so oft war es das FAZ-Feuilleton, das als Erstes zu lamentieren begann: „Seitdem sich die Paare im Partnervertrag ihre Ansprüche lustvoll gegenseitig vorrechnen, achtet kein Mensch mehr auf die Kleinigkeiten der Liebe, das bisschen Etwas, das die gemeinsame Qualitätszeit doch erst schön macht, alles, was im vergangenen Jahrhundert nur eine Hausfrau zu schaffen imstande war“, schrieb Otto Friesenthal zu Jahresbeginn.

Es ist hilfreich, dass der Autor die beiden verräterischen Vokabeln „Liebe“ und „Hausfrau“ in einem Satz verwendet. Liebe ist etwas, meint Friesenthal, was der Mann empfindet, wofür die Frau aber arbeiten soll. Durchsichtiges Spiel, keines weiteren Kommentares würdig. Was die konkrete Forderung angeht: Friesenthal wäre zufrieden, wenn die weichen Faktoren ebenfalls ins Partnervertragsrecht eingeführt würden.

„Aufregend und erfüllend“

Doch damit wäre ja das Problem nicht gelöst: Die „halbe erwachsene Bevölkerung klagt, dass Beziehungen früher, wenn schon nicht besonders lang, so doch aber aufregend und erfüllend gewesen seien. Jetzt aber bestehen Partnerschaften vor allem darin, vertragliche Rechte und

„Statt ordentlich Single zu sein, wünschen sich die Menschen Beziehungen, vor denen sie gleichwohl Angst haben“

Pflichten zu erfüllen und einzuklagen“, erklärt die Vorsitzende des Verbands der Partnerschaftsberatungen, Antonia May. „Und alle sind unglücklich: Statt wenigstens ordentlich Single zu sein, wünschen sich die Menschen Beziehungen, vor denen sie gleichwohl Angst haben“, sagt May.

Angesichts dieser dramatischen Lage würde das Problem im Kern verkennen, wer bloß die regelmäßige kleine Ritualpflege regeln will. Dies haben auch die Autoren der nun berühmt gewordenen Streitschrift „200 Jahre nach Friedrich Schlegel. Wir streben nach dem sehnend Streben“ verstanden. Hier verlangen sie nicht weniger als die Überwindung der geregelten Partnerschaft. Sie wollen wieder von Liebe reden, aber anders als Kollege Friesenthal. Sie wollen darüber reden, „wo Seel in Seele / Hinüber wallt“, sie wollen den Zauber, die Geistesgewalt, sie wollen ein „Feuer / Das alles treibt, / Ein starkes, klares, / das ewig bleibt“ – sie wollen, um es mit einem Wort zu sagen: Romantik.

Natürlich ist es kein Zufall, dass dieser Impuls von Männern kommt. Romantik war schon vor 200 Jahren eine männliche Erfindung. Romantik als emotionalen Mehrwert konnten nur Leute schaffen, deren gesellschaftlicher Status nicht von der praktischen Umsetzung des Liebesideals abhing – von Männern also. Anders gesagt: Romantik konnte sich leisten, wer nicht nachher mit Kindern und ohne Job zu Hause sitzen blieb.

Es wäre jedoch falsch, die Neoromantiker den Ewiggestrigen zuzurechnen. Sie wollen ja niemand wieder in wirtschaftlicher Abhängigkeit sehen. Sie erklären die Verhandlungsbeziehung für obsolet, weil Frauen es jenseits der Kinderproduktionsebene eben längst nicht mehr nötig haben, sich mit nüchternen Vereinbarungen gegen Enttäuschung und Statusverlust abzusichern. Die Verhandlung jedoch, schreiben die Autoren, „hat das Element getötet, das doch überhaupt erst Grund für zwei Menschen ist, sich einander zuzuneigen: die Vorstellung, dass ein Gefühl länger dauert als bis morgen.“ Ein „Gefühl“, nicht die Vertragslaufzeit.

Neues Leid durch Romantik

Dauerhafte Gefühle in Beziehungen? Diese These mutet so steil wie reizvoll an. Dennoch wird den Neuschlegelianern nur ein halber Erfolg beschieden sein: Das Partnervertragsrecht ist an seine Grenzen geraten und dürfte bald umgebaut werden. Doch Romantik – die sie an die Stelle des Rechts setzen wollen – definiert sich aus dem Irrationalen, sie verunklart Beziehungen und schafft neues Leid, also neue Machtverhältnisse. Wer aber wollte die mühsam errungene Egalität in der Partnerschaft für so viel Ärger opfern?