„Eine Frage der Sensibilität“

Nach dem Rücktritt von Bundesbankchef Welteke sieht SPD-Fraktionsvize Joachim Poß „sehr späte Einsicht“. Die Institution sei nur noch „eine bessere Landeszentralbank“

Joachim Poß ist Finanzexperte der SPD-Bundestagsfraktion.

taz: Was bedeutet der Rücktritt von Bundesbankpräsident Ernst Welteke?

Joachim Poß: Es war ein notwendiger Schritt, um das Vertrauen in die Institution Bundesbank wiederherzustellen.

Hat sich denn bei Herrn Welteke in den letzten Tagen etwas verändert – oder wie kam es jetzt plötzlich doch noch zu seinem Rücktritt?

Offenkundig ist eine gewisse Einsicht gekommen, wenn auch sehr spät.

War damit das harte Drängen der Bundesregierung und von Finanzminister Eichel berechtigt – die Union hat Sie dafür schließlich kritisiert?

Die Union hat ein durchsichtiges Doppelspiel betrieben. Es war ja Laurenz Meyer, der CDU-Generalsekretär, der als Erster in einem Interview mit der Bild am Montag nach Bekanntwerden der Vorwürfe Herrn Welteke massiv öffentlich angegriffen hat. Insofern waren all die Vorwürfe nur dazu gedacht, der Bundesregierung am Zeug zu flicken. Das ist eine Gespensterdebatte – die Unabhängigkeit der Bundesbank ist in keiner Weise gefährdet gewesen. Wenn überhaupt, ist die Situation von Herrn Welteke und dem Bundesbankvorstand selbst geschaffen worden, der ja in seiner ersten Sitzung keine tragfähige Lösung gefunden hat.

Aber der Rücktritt zeigt doch beides: Die wiederholte Intervention von Finanzminister Eichel hatte letztlich Erfolg – aber sie war eben auch eine Intervention.

Das war ja keine Intervention, das war eine Stellungnahme wie sie andere ja auf Befragen auch abgegeben haben. Offenkundig ist bei einigen der innere Kompass dafür, wie man sich als Amtsträger verhält, verloren gegangen. Daran musste erinnert werden, das ist vollkommen legitim und gefährdet keine Unabhängigkeit. Außerdem sollte man die Bundesbank nicht überbewerten. Nachdem sie ihre zentrale geldpolitische Zuständigkeit nicht mehr hat, ist sie eine bessere Landeszentralbank, mehr nicht. Das sollte man auch mal deutlich sagen.

Das heißt, die Bundesbank ist nicht mehr das, als was die Deutschen sie ansehen?

So ist das, ja.

Das macht den Job für einen Nachfolger nicht gerade attraktiv.

Na ja, sie hat nach wie vor ihre Bedeutung, warum soll das nicht attraktiv sein?

Haben Sie einen Favoriten für den Posten?

Wie sollte ich? Das ist auch nicht meine Aufgabe.

Was halten Sie von Eichels Staatssekretär Caio Koch-Weser, der ja im Gespräch ist?

Ich äußere mich nicht zu einzelnen Personen.

Muss man strukturelle Konsequenzen ziehen aus der Erfahrung mit Herrn Welteke?

Nein, normalerweise unterstellt man, dass bei den Amtsträgern selbst die notwendige Sensibilität vorhanden ist, um zu wissen, was man tun kann und was nicht.

Die Erfahrung mit Herrn Welteke spricht dagegen.

Ja, aber bitte! Es hängt immer von Personen ab, ob sie die notwendige Sensibilität haben – oder eben nicht. Abgesehen davon ist ja geplant, das Regelwerk, wie es bei der Europäischen Zentralbank besteht, auf die Bundesbank zu übertragen.

Schmerzt es Sie, dass die Person, um die es geht, Sozialdemokrat ist, langjähriger Sozialdemokrat, herausragender Sozialdemokrat?

Gefreut habe ich mich darüber nicht.

INTERVIEW: PATRIK SCHWARZ