Karl-Heinz Ruch über den ökonomischen Siegeszug der taz

Von der Bewegung zum Monopol

50 Jahre taz. Dieses halbe Jahrhundert lässt sich gut in fünf Dekaden beschreiben:

Im ersten Jahrzehnt, den Achtzigern, war die taz eine Zeitung, die mit den sozialen Bewegungen groß geworden ist. Damals gingen die Menschen zu hunderttausenden auf die Straße – für Umweltschutz, gegen militärische Aufrüstung und Atomkraftwerke. Entstanden sind aus diesen Bewegungen Organisationen, Unternehmen, Medien, die Partei der Grünen und eben auch die taz, eine Zeitung im Besitz ihrer Mitarbeitenden.

Die rettende Idee

Die 90er waren für die taz nach der Wende ein schwieriges Jahrzehnt. Wurden mit dem Fall der Berliner Mauer große Hoffnungen auf ein größeres Verbreitungsgebiet mit dem Zentrum Berlin verbunden, so zeigte sich schnell, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verschlechterten und die taz zu Reformen zwangen. Rettende Idee war die Umwandlung der taz in eine Genossenschaft. Damit stand der Verbreiterung der Eigenkapitalbasis durch tausende von LeserInnen nichts mehr im Wege.

Diese offene und partnerschaftliche Unternehmensform war auch der Grund dafür, dass die taz das erste Jahrzehnt des neuen Jahrtausends überstand, während andere überregionale Tageszeitungen in Krisen gerieten, von denen sie sich auch nach Jahren nie wieder richtig erholten. Die taz erhielt ihre Konzernunabhängigkeit und steigerte die Auflage, die jahrelang in einer Nische von 60.000 zementiert schien, sogar auf 75.000.

Die endgültige Umwälzung bei den gedruckten Medien kam mit der Durchsetzung der neuen elektronischen Medien, die attraktivere und effektivere Angebote für Werbung boten. Die Überregionalen konzentrierten sich auf Image- und Markenwerbung. Handelsanzeigen und Rubrikenmärkte sind von elektronischen Medien übernommen worden, was den Regionalzeitungen ihr wirtschaftliches Standbein entzog. Ein ungeheurer Konzentrationsprozess setzte ein: Fünfundneunzig Prozent der regionalen Zeitungen erscheinen heute unter dem Dach von zwei Konzernen.

Zeitungen zu lesen ist Luxus heutzutage. Die gedruckten Medien haben ihren Preis. Weil die Werbung als Einnahmequelle fehlt, müssen nun die Leser bezahlen, was sie lesen wollen. Lesen selbst ist schon für weite Bevölkerungskreise eine Wissenschaft, so wie zu Beginn unseres Jahrhunderts die Beherrschung eines Musikinstrumentes noch einer Minderheit vorbehalten war. Der starke Bevölkerungsrückgang und die Ausweitung einer ungebildeten Unterschicht haben den Anteil der lesenden Bevölkerung halbiert im Vergleich zur Jahrhundertwende. Dadurch hat sich auch die Auflage der Bild auf zweieinhalb Millionen reduziert, auch wenn die Buchstaben der Boulevardzeitung heute noch größer und ihre Storys noch aggressiver geworden sind.

Seit zehn Jahren nun teilen sich allein taz und FAZ den überregionalen deutschen Tageszeitungsmarkt. Frühere Wirtschaftstitel sind Opfer der Globalisierung geworden und finden sich heute, wie das Handelsblatt, als regionaler Informationsdienst im Internet wieder. Die nur für kurze Zeit auch in deutscher Sprache erschienene und wieder eingestellte Financial Times hatte sich auf dem Markt nie gerechnet. Die Frankfurter Rundschau ist nach einer kurzen Episode unter SPD-Regie unter dem Dach des Springerverlages gelandet und hat wie die Süddeutsche Zeitung, die den Kampf mit der FAZ um die überregionale Marktführerschaft absehbar verlor, nur noch regionale Bedeutung.

Allein taz und FAZ

Heute sind allein taz und FAZ in dem auf nur circa 300.000 Käufer geschrumpften Segment überregionaler Tageszeitungen übrig geblieben. Das ist auch ein Zeichen dafür, wie sehr sich ideologisch unterschiedliche Zeitungen mit eigenem Verständnis von publizistischer Qualität in einem so stark konzentrierten Markt als unabhängige publizistische Einheiten durchsetzen können.