Wie man bestimmend wirkt

Respektvoll auftreten, Menschen für sich gewinnen – wer möchte das nicht? Doch oft reichen wohlmeinende Absichten nicht aus. Wir müssen uns Gehör verschaffen: Kommunikationstrainer Tom Schmitt erklärt, wie das gelingen kann

„Entscheidend ist die Veränderung im Blick: Die Augen werden kühler und härter“

Interview: HEIKE KLOPSCH

taz hamburg: Herr Schmitt, Sie sagen, dass Sie Menschen dazu bringen können, sich durchzusetzen und sich Gehör zu verschaffen. Wie gehen Sie dabei vor?

Tom Schmitt: Durchsetzungsfähigkeit ist tatsächlich lernbar, allerdings nicht so leicht wie zum Beispiel Fahrradfahren. Mehr Durchsetzungsfähigkeit zu erlangen, setzt voraus, dass wir bereit sind, unsere Einstellung zu uns und unseren Mitmenschen zu ändern. Um Durchsetzungsfähigkeit zu erlangen, müssen wir auf der so genannten „Einstellungsebene“ arbeiten – respektvolles Auftreten hat hier eine Schlüsselfunktion.

Was für eine innere Einstellung setzt „respektvolles Auftreten“ voraus?

Die meisten Menschen wollen geliebt werden, sie suchen die emotionale Nähe zu anderen. Das ist auch gut so. Wenn es aber darum geht – beispielsweise im Job – die eigene Interessen zu vertreten, dann ist es für den persönlichen Erfolg wichtiger, Distanz auszuhalten, als um jeden Preis geliebt zu werden. Es ist doch geradezu absurd, einerseits die eigenen Interessen gegen jemanden durchsetzen zu wollen und andererseits die dadurch entstehende Distanz nicht ertragen zu können. So sabotiert man sich selbst.

Beschreiben Sie eine konkrete Situation, bei der Durchsetzungsfähigkeit angebracht ist.

Ein klassisches Beispiel ist das Verhalten des Präsenters in einer Präsentation: Je näher der Moment der Präsentation kommt, um so aufgeregter wird die Person, sie bekommt feuchte Hände, einen trockenen Hals, die typischen Stresssymptome treten auf. Und wenn diese Person dann präsentiert, dann hat sie eine Null-Ausstrahlung. Sie ist nervös, verhaspelt sich und strahlt keinerlei Überzeugungskraft aus. Der Effekt ist, dass sie bei der ersten Gelegenheit unterbrochen und durch irgendeine fiese Zwischenfrage auf den Kanthaken genommen wird.

Das Publikum erwartet dort vorne jemanden, der weiß, was er sagt, der respektvoll auftritt. Und wenn das nicht der Fall ist, wird die Gruppe entsprechend reagieren. Es ist also wichtig, eine Anmutung von Respekt aufzubauen und so etwas auszustrahlen wie: „Hier unterbricht mich keiner!“

Sie haben die so genannte „Status-Methode“ entwickelt. Was verbirgt sich dahinter, und inwieweit kann sie in solchen kritischen Situationen helfen?

Die Methode ist eine Weiterentwicklung von mir aus dem Theater. Der Status beschreibt das Machtverhältnis zwischen Menschen. Dieses Machtverhältnis ist immer vorhanden, wenn Menschen zusammen sind. Dabei herrscht immer ein irgendwie geartetes Machtgefälle. Status ist immer relativ, kann also in unterschiedlichen Situationen ganz unterschiedlich sein. Manchmal sind wir in einem tieferen, manchmal in einem höheren Status. Mit hoch und tief ist übrigens keinerlei Wertung verbunden: Beide Stati bergen Chancen und Risiken.

Status ist also nichts „Statisches“ und hat schon gar nichts mit Hackordnung zu tun, sondern ist etwas, was wir heute mit den Mitteln und Methoden des Theaters und der Persönlichkeits-Psychologie bewusst verändern können. Wenn es also der Präsenter in unserem Beispiel schafft, den Status bewusst zu heben, dann erleben wir ihn plötzlich mit einer Ausstrahlung, die ein „Jetzt rede ich, unterbrich mich nicht!“ deutlich macht. Damit einher geht eine völlig veränderte Körpersprache und eine Veränderung der Stimme. Entscheidend aber ist die Veränderung im Blick. Die Augen werden kühler, distanzierter und härter.

Was kann man tun, um Machtverhältnisse in bestimmten Situationen bewusst zu verändern?

Der Schritt vom tieferen in den höheren Status besteht in der Schaffung einer gewissen emotionalen Distanz zwischen mir und den anderen. In dem Moment, wo ich mich von dem Wohlwollen der anderen unabhängig machen kann und in meinem tiefsten Inneren das eigene Ziel wichtiger ist, bin ich auf dem richtigen Weg.

Umgekehrt geht es bei der Bewegung in den tieferen Status darum, Nähe auszuhalten. Bei beiden Bewegungen führt die Veränderung aus dem einen Status in den anderen über eine Brücke. In dem Moment, in dem ich diese Brücke betrete, verlasse ich das eigene, sichere Verhaltensterritorium und verspüre prompt Angst. Die bewusste Änderung des Status in Stresssituationen ist mit Ängsten besetzt. Aber wie bei allen Ängsten führt der Weg aus der Angst immer durch die Angst hindurch.

Gibt es bestimmte Voraussetzungen, die man erfüllen muss, um das Status-Modell erfolgreich umzusetzen?

Die wichtigste Voraussetzung ist sicherlich der geschützte Raum im Workshop und die entsprechende Begleitung durch den Coach. Weitere Voraussetzungen sind die Schaffung von Rollendistanz und Humor. Das eigene Verhalten und das anderer hinterfragen und aus einem anderen Blickwinkel sehen, eröffnet oft neue Perspektiven. Humor ist dabei wichtig, da er genau diese Rollendistanz hervorruft. Humor schafft unvermutet neue Einsichten und Erkenntnisse. Lachen lockert den Geist.

Der Prozess selbst ist dann ähnlich geprägt durch ein Ausprobieren wie im Theater: Durch individuelles Ausprobieren herausfinden, was für die jeweilige Person der authentische Weg ist. Das Ziel ist immer die Erweiterung der eigenen Handlungskompetenz mit durchsetzungsfähigem Auftreten, ohne dabei die eigene Persönlichkeit zu verleugnen. Sich nicht mehr selbst sabotieren und dann von anderen unterbuttern lassen nach dem Motto: „Wie konnte mir das nur passieren, ich hatte mich doch inhaltlich so gut vorbereitet.“ Stattdessen können wir selbst entscheiden, wann wir weich und sympathisch sind und wann wir proaktiv, respektvoll und durchsetzungsfähig auftreten im Sinne von: „Jetzt bestimme ich, wo‘s langgeht.“

Workshops mit Tom Schmitt finden am 25. Oktober und 15. November im Institut für Weiterbildung an der HWP statt.