Haltestelle Heroin

Ein Dreivierteljahr nach dem Start der Arzneimittelstudie zur kontrollierten Heroinabgabe zieht Leiterin Karin Bonorden-Kleij eine positive Bilanz

von ELKE SPANNER

Die Bushaltestelle „Högerdamm“ in Hammerbrook ist inzwischen eine der meistfrequentierten der ganzen Stadt. Zwischen Autobahnzubringer, Gewerbehallen und Kanal ist vorigen August die Heroinambulanz eingezogen, und über die Hälfte der avisierten 230 Patienten ist inzwischen rekrutiert. Die kommen mehrmals am Tag zum Konsum. Dass der Zulauf von Junkies, die an der Studie teilnehmen, zunächst eher zögerlich war, empfindet Projektleiterin Karin Bonorden-Kleij nicht als Problem: „Wir konnten ohnehin nur mit wenigen Patienten anfangen. Auch für uns waren alle Arbeitsabläufe neu.“ Inzwischen, sagt sie, „läuft die Arbeit gut“.

Die Patienten sind eingeteilt in eine Gruppe, die unter strenger ärztlicher Kontrolle Heroin nimmt, und in eine Kontrollgruppe, die als Wirkstoff Methadon bekommt. Bestätigt hat sich die Befürchtung, dass viele wieder abspringen, wenn sie das falsche Los gezogen haben: Während die Abbruchquote unter den Heroinkonsumenten bei 25 Prozent liegt, beendet über die Hälfte der Methadonklienten die Studie vorzeitig.

Bei den Abbrechern aus der Heroingruppe sind die Gründe vielfältig. Manchen ist es zu belastend, mehrmals am Tag zum Högerdamm fahren zu müssen. Einige haben während der Studie eine Abstinenztherapie begonnen. Und vier Patienten haben Hausverbot, weil sie massiv gegen die Hausordnung verstoßen haben. Zwei Klienten haben MitarbeiterInnen der Ambulanz tätlich angegriffen, und zwei mussten aus der Studie aussteigen, weil sie versucht hatten, Heroin herauszuschmuggeln.

Auffällig ist, dass weit weniger Frauen als Männer an der Studie teilnehmen. Der Frauenanteil liegt bei rund zwölf Prozent – während man davon ausgeht, dass in der Drogenszene rund 30 Prozent der Konsumenten weiblich sind. Bonorden-Kleij erklärt sich das mit dem schlechten Image, welches das Projekt in der Szene offenbar hat. „Es gibt das Bild: Wenn du da mitmachst, bist du ganz unten.“ Süchtige Mütter hätten oft auch Angst, dass das Jugendamt ihnen die Kinder wegnimmt, wenn es von ihrer Teilnahme an der Studie erfährt.

20-30 Prozent der Patienten, erzählt die Leiterin, haben durch die Teilnahme am Heroinprojekt schnell in einen neuen Lebensrhythmus gefunden. Wer seine individuelle Heroindosis gefunden hat, kommt nur noch zweimal am Tag. Durch das Wegfallen des Beschaffungsdruckes und die Loslösung aus der Szene hätten sich viele schon äußerlich verändert, wirkten gepflegter. Manche, sagt Bonorden-Kleij, kommen zum zweiten Konsum am Abend jetzt so früh, dass sie anschließend ins Kino gehen können.

Weit größer allerdings, räumt sie ein, ist der Anteil der Klienten, die nebenher noch andere Drogen nehmen. „Wir waren nie so naiv zu glauben, dass sie von einem Tag auf den anderen nur noch unser Heroin nehmen“, sagt die Leiterin. Ausgeschlossen werden die aber nicht. Zum einen, so Bonorden-Kleij, weil es auch ein Aspekt der Studie sei, herauszufinden, ob sich der Beikonsum bei regelmäßiger Gabe von reinem Heroin verringert. Und zum anderen, so Klaus Behrendt, Geschäftsführer des Trägers Drogenambulanzen, weil die mit Beikonsum die instabilsten Patienten, die mit den meisten Problemen sind.