Alle werden gewinnen

Aber nur einer bekommt den Titel: Nordrhein-Westfalen hat gleich drei Kulturhauptstadts-Aspiranten. Während das Ruhrgebiet auf eine seltene Einmütigkeit setzt, versucht‘s Köln unter den Vorzeichen des Haushaltssicherungsgesetzes mit mindestens ebenso untypischer Bescheidenheit, und das wohlhabende Münster mit einem cleveren PR-Profi

Köln gehe mit seiner Kultur pfleglicher um, behauptet der DezernentDas ominöse Auswahlverfahren gibt Anlass zu Spekulationen

Ausgerechnet Költzsch, Georg Költzsch – so heißt der Leiter der Bewerbung des Ruhrgebietes für die Kulturhauptstadt Europas. „Den Kölnern“, der einstige Leiter des Essener Folkwang-Museums schmunzelt, „ist mein Name natürlich höchst sympathisch.“ Und doch arbeitet er für die Konkurrenz von der Ruhr. Gleich drei nordrhein-westfälische Städte kandidieren – und schon von der Bewerbung versprechen sich Münster, Köln sowie der einstige Montanverbund der Ruhrstädte allerhand.

„Einer wird den Titel tragen, aber alle werden durch die Bewerbung gewinnen“, freut sich Költzsch und erwartet einen „noblen“ Wettbewerb zwischen den mindestens zwölf deutschen Bewerberstädten. Das Ruhrgebiet habe ohnehin längst gewonnen. „Kulturpolitisch ist alles klar“, sagt Költzsch, nun Mitarbeiter des Kommunalverbandes Ruhrgebiet (KVR). Selbst die anfangs renitente Flügelstadt Dortmund verhalte sich „absolut solidarisch“.

Am liebsten würde man zwar als Stadtkonglomerat kandidieren, doch wenn die EU ein Bündnis ablehne, werde Bochum oder Essen die Ruhr vertreten – ganz ohne Zank habe man sich darauf geeinigt, sagt Költzsch. Über das Konzept hüllt er sich indes in Schweigen. Nur eines sei klar: Anders als bei der fehlgeschlagenen Olympiabewerbung von Rhein-Ruhr will man die Landeshauptstadt Düsseldorf nicht mit ins Boot holen: „Eine Allianz mit Düsseldorf kann nicht gut gehen“, weiß der Kunsthistoriker.

Auch Köln hofft auf Konsens. Im Rat der Stadt wurde die Bewerbung im März einmütig beschlossen. Jetzt verständigen sich elf Arbeitsgruppen auf die „elf Kapitel“ der Bewerbung, sagt Roderich Stumm, der im Kulturdezernat der Karnevalshochburg die Bewerbung koordiniert. Es seien angenehme Effekte zu bestaunen: So hätten sich die Kölner Hochschulen zur Zusammenarbeit verpflichtet, die freie Kulturszene habe ein nie da gewesenes Forum geschaffen, und die Stadt gehe mit ihrer Kultur „pfleglicher“ um, sagt Stumm. Das tut Not. Köln arbeitet unter den Vorzeichen des Haushaltssicherungsgesetzes. Für die Kölner Bewerber geht es deshalb auch „um Kultur angesichts der knappen Mittel“, sagt Stumm. „Eine bescheidene, eine intelligente Bewerbung werden wir aufstellen.“ Spätestens im März 2004 muss sie vorliegen. Doch zuvor kommt es in Köln zur Nagelprobe – der Haushalt der neuen schwarz-grünen Koalition wird ausgehandelt – bis Ende Juli. Dann wird die Lenkungsgruppe der Bewerbung unter Vorsitz von Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) noch einmal überlegen, ob sich Köln ein rund 30 Millionen teures Kulturjahr leisten kann und will. „Bisher zeichnet sich nicht ab, dass sie sich dagegen entscheiden“, glaubt Stumm.

Münster ist nicht so vorsichtig. „Wir haben einen ausgeglichenen Haushalt“, sagt Markus Müller, der Bewerbungschef, und platzt vor Selbstbewusstsein: Das Ruhrgebiet sei bloß eine Bewerbung des KVR, der eine neue Aufgabe brauche. Im zu großen Köln würde das europäische Kulturjahr untergehen, mit dem schmalen Etat ließe sich dort nichts entwickeln, was nicht schon da sei, meint der Pressechef der letzten Kasseler Documenta. Münster hingegen sei die „naturreiche und lebensartige Postkartenstadt“, ein Mittelzentrum im „ruralen Umfeld“, habe „Ecken und Kanten, nicht nur Schreibtisch und Lodenmantel“.

Konkurrenz für Münster fürchtet Müller weniger aus NRW denn aus Görlitz – und von der Hansestadt Bremen. Das habe mit dem komplizierten Verfahren zu tun, schwant dem Münster-Lobbyist Böses. Wie das aussieht, weiß bislang niemand so genau: Die Einzelheiten „sind noch völlig offen“, heißt es beim federführenden Außenministerium. Beim Bundesrat will „in dieser Sache wohl niemand eine Mehrheitsentscheidung“, so der zuständige Referent Kurt Radaschall. Und Christian Thieme, Ständiger Vertreter des Generalsekretärs der Kultusministerkonferenz, weiß nur, „dass wir bei Weimar 1999 beteiligt waren“.

Als ausgemacht gilt, dass jedes Bundesland 2004 nur einen Bewerber beim Auswärtigen Amt einreichen darf. In Nordrhein-Westfalen plant daher Städtebau- und Kulturminister Michael Vesper (Bündnis 90/Die Grünen), eine beratende Jury einzusetzen. Über die Zusammensetzung sei noch nicht entschieden, sagt Referatsleiter Gerhard Horn. „Der Minister will eine Stadt vorschlagen“,aber angesichts der akuten rot-grünen Regierungskrise wisse man nicht, „ob sich das ändern werde“.

Christoph Schurian