Neuenfelde noch lauter

Beim Benefiz gegen die geplante Airbus-Startbahnverlängerung treffen die „Beginner“ auf die legendäre Postpunk-Formation „Kastrierte Philosophen“. Ort des Treffens: eine Apfelsortieranlage

von Dirk Seifert

Wer letzte Woche das Konzert der Beginner in der Roten Flora verpasst hat oder zu denjenigen gehörte, die das Ganze nur auf der Straße stehend anhören konnten, bekommt eine zweite Chance: Unter dem mehrdeutigen Titel „Neuenfelde wird laut“ findet am kommenden Samstag mitten in Hamburgs östlichsten Apfelbaumplantagen ein Benefizkonzert der besonderen Art statt.

Denn nicht nur der Fortbestand des Obstanbaus ist in Neuenfelde gefährdet, wenn die Pläne von EADS/Airbus umgesetzt werden und die verlängerte Start- und Landebahn den kleinen Hamburger Stadtteil zerschneidet. Auch ein Tonstudio ist in seiner Existenz durch den Ausbau gefährdet. Nicht irgendein Studio. Denn hier in Neuenfelde, zwischen EADS und Apfelbäumen haben die Beginner ihr legendäres Bambule-Album aufgenommen. Auch Eißfeldts Jan Delay Searching for the Jan Soul Rebels oder das viel beachtete Album Ancient Spirit von Patrice sind hier entstanden.

Der Mann, der an den Reglern saß und das Ganze produzierte, heißt Matthias Arfmann. Gemeinsam mit Nachbarin Katrin Achinger ist er seit Anfang der 80er-Jahre als Bestandteil der Kastrierten Philosophen bekannt. Über 13 Alben haben die beiden bis in die 90er-Jahre gemeinsam veröffentlicht. Allesamt keine Alben, die sich massenhaft verkauften oder deren Goldpressungen die Wände zieren. Angelehnt an ihre Punk-Ursprünge bastelten sie einen Sound zwischen Dub, Dancehall und Elektro-Pop, angereichert auch mit Jazz-Elementen und Klängen, die man heute der Weltmusik zuordnen würde. Kein Wunder also, wenn dieser eigenwillige und vielschichtige Sound auch viele andere Bands und Künstler beeinflusste, seien es die Goldenen Zitronen oder die Eimsbush-HipHop-Fraktion.

Arfmann firmiert heute mit seinem Neuenfelder Studio als „Turtle Bay Country Club“ und kümmert sich intensiv um den Nachwuchs. Auf dem eben veröffentlichten Sampler Love Factory finden sich Newcomer wie Onejiru, Mamadee, Sola Plexus, Unit East und andere. Namen, die man sich merken sollte.

Damit man in Zukunft in den Tonaufnahmen nicht ständig den Lärm startender Großraumflieger hört, haben die beiden Kastrierten Philosophen einfach mal ihren Freundeskreis und sich selbst aktiviert. Mit dem Benefiz-Konzert wollen sie vor allem die vor wenigen Wochen gegründete Klägergemeinschaft von AnwohnerInnen und Obstbauern unterstützen. Vor Gericht wollen sie verhindern, dass die Landebahn verlängert wird. Da Anwälte jede Menge Geld kosten, hatte Katrin Achinger die Idee zu dem bevorstehenden Benefiz. Es bedurfte nur einiger Telefonate und schon stand das Bühnenprogramm: Neben den Beginnern, dem Turtle Bay Country Club und dem seit Jahren ersten Auftritt der Kastrierten Philosophen gibt es außerdem die Ulrich Kodjo Wendt Band, Tengu, Onejiru, Sue und die Harbuger HipHops Zehn Meter Feldweg. Damit auch das Ambiente stimmt, findet das Ganze in einer nicht gerade alltäglichen Halle, nämlich in der Apfelsortieranlage von ElbeObst statt. Die Joints werden also diesmal eindeutig eher nach Apfel schmecken.

Samstag, 24. April, 15 Uhr, ElbeObst-Lagerhalle, Nincoper Str. 45b, erreichbar mit den Bussen 150 ab Altona und 257 ab Neuengraben