christoph schultheis
: Hört das denn niemals auf?

Heute läuft „Johannes B. Kerner“ zum 500. Mal.

Als ich gestern aus unruhigen Träumen erwachte, war es tief in der Nacht. Eine Taschenlampe leuchtete mir mitten ins Gesicht, und jemand sagte: „Kerner! Was fällt Ihnen dazu ein?“ Die Stimme klang nicht freundlich, aber das musste wohl so sein. Wer einem tief in der Nacht mitten ins Gesicht leuchtet, will keine zurechtgebastelten Antworten. So jemand will die Wahrheit wissen. Und ist nicht zimperlich: „Was Ihnen dazu einfällt …“

„Heidemanns!“, sagte ich: „Markus Heidemanns, Redaktionsleiter bei ‚JBK‘, arbeitete bis 1995 bei Bild am Sonntag; sein Bruder Martin ist heute bei Bild zuständig für Fernsehen und Show.“ Das hatte ich mal genau so in einer Zeitung gelesen und mir eingeprägt, weil ich dachte, das sei vielleicht wichtig. Außerdem sagen die Leute in Agentenfilmen auch immer so was Ähnliches. Aber mein nächtlicher Besucher wollte davon nichts wissen. „Ich glaube“, versuchte ich es kläglich, „ich habe bei Kerner mal Alice Schwarzer weinen sehen …“ Von hinter der Taschenlampe grunzte es genervt: „Da zeigt das ZDF am Dienstagabend die 500. ‚Johannes B. Kerner‘-Show, und Sie kommen mir mit so einem Bullshit?!“

„Das B steht für Baptist“, sagte ich leise, erntete dafür aber wieder nur ein Grunzen. „Okay, okay“, begann ich erneut, wollte Zeit schinden, mich sammeln, an etwas anderes denken. An die Zeit, bevor Kerner beim ZDF talkte, vielleicht. Es gelang mir nicht. Ich war wohl zu müde, versuchte es anders: „Da muss eine Verwechslung vorliegen“, sagte ich, „ich habe die Sendung höchstens ein-, zweimal gesehen, wenn überhaupt.“ Ich log. Tatsächlich hatte ich die Sendung öfter gesehen. Fünfmal bestimmt. Oder sechsmal. Da war aber immer nur Boris Becker zu Gast. Aber das wollte der Kerl an meinem Bett jetzt bestimmt nicht hören. Und am Ende war das gar nicht der Kerner gewesen, sondern dieser Beckmann, der Nachfolger vom Biolek, der wiederum, so glaubte ich mich zu erinnern, dafür gescholten worden war, dass er zu nett und freundlich mit seinen Gästen umgesprungen sei damals. Aber das musste ein Irrtum sein.

„Hören Sie“, sagte ich, „es ist mitten in der Nacht und …“ „Und?“, fiel mir mein Gegenüber ins Wort. „Und“, fuhr ich fort, „es gibt doch Schlimmeres als Kerner!“ Ich wurde langsam wacher. „Ach ja?“, sagte die Taschenlampe. „Ja, bestimmt …“, sagte ich. „Aha?“, sagte die Taschenlampe, der Tonfall wurde schärfer: „Na, wen oder was denn zum Beispiel?“ Mir fiel spontan nichts ein. Niemand. Ich schob das auf die Situation – und hatte nicht die geringste Ahnung, wie ich da je wieder rauskommen sollte.