berliner szenen Im taz-Archiv

Zutritt verboten

Das taz-Archiv ist keine öffentliche Bibliothek, auch wenn es der Öffentlichkeit zugänglich sein will. Aber halt nicht jeder Öffentlichkeit. Diese schmerzliche Erkenntnis muss ein etwa 50-jähriger Mann machen, der im obersten Stock des Rudi-Dutschke-Hauses mehrere Spiegel-Jahrgänge vor sich ausgebreitet hat. Seine weißen, zum Zopf gebundenen Haare schimmern im Neonlicht. Manchmal schüttelt er mit dem Kopf, brummt etwas vor sich hin und macht sich Notizen.

„Das haben wir aber nicht so gerne, dass Sie in die Spiegel-Ausgaben hineinschreiben“, sagt die Archivarin. „Ich habe mir nur das Datum notiert, dann muss ich das später beim Kopieren nicht machen“, sagt der Mann zu seiner Entschuldigung. „Aber“, sagt die Archivarin, „stellen Sie sich vor, jeder würde seine Anmerkungen da reinschreiben. Wie würde das denn aussehen?“ – „Also, im besten Zustand sind die Ausgaben ja ohnehin nicht mehr“, sagt der Mann, „zum Teil fleddert der Umschlag ab.“ – „Sagen Sie mal, was fällt Ihnen denn ein, hierher zu kommen, sich nicht vorzustellen und dann auch noch den Zustand des Archivs zu kritisieren? Das hier ist keine Bücherei, wo sich jeder Zeitschriften ausleihen kann, das hier ist ein internes Archiv für taz-Mitarbeiter. Wenn Sie den Spiegel lesen wollen, gehen Sie bitte in die AGB, da können Sie von mir aus auch reinmalen.“ – „Meine Güte, sind Sie spießig.“ – „Jetzt reicht’s aber.“ – „Wissen Sie was“, sagt der Mann und nimmt seine Jacke vom Stuhl, „ich gehe jetzt.“ – „Das ist das Mindeste“, sagt die Archivarin. Der Mann stampft an ihr vorbei, murmelt „Unverschämtheit“, und kurz bevor die Stahltür hinter ihm zuschlägt, ruft er „Fotze“, wie ein Schuljunge, der aus sicherer Entfernung die Älteren beschimpft, die ihn nicht mehr einholen könnten. JAN BRANDT