HALBZEITSTAND BEIM RENNEN KÖHLER/SCHWAN: DAS VOLK HAT VERLOREN
: Die zwei Braven

Gelegenheit genug hatten sie. Als Neulinge in der ersten Reihe stießen Gesine Schwan und Horst Köhler auf so viel öffentliche Neugier wie nur wenige Bewerber für das Bundespräsidentenamt vor ihnen. Jetzt sind es noch vier Wochen bis zur Wahl am 23. Mai – und die Zwischenbilanz fällt ernüchternd aus: Schwan wie Köhler haben viel gesagt, und doch nicht von sich reden gemacht.

Zugegeben, die Situation ist nicht ganz unkompliziert: Beide Kandidaten führen einen Wahlkampf, der keiner sein darf, und appellieren an Wähler, die nicht wählen dürfen. Aber gerade weil sie mehr um die Zustimmung der Öffentlichkeit werben als um die Wahlmänner der Parteien in der Bundesversammlung, fällt auf, wie spurlos ihre Mühen an den Deutschen vorbeigehen. Weltläufigkeit und Vertriebenenschicksal bei ihm, Diskursstärke und Frauenschwung bei ihr – mehr bleibt nicht hängen. Oder fällt Ihnen ein, wofür Horst Köhler und Gesine Schwan politisch stehen?

Dabei war die Ausgangslage durchaus interessant, denn der Favorit und die Alternative standen vor denkbar unterschiedlichen Hürden: Köhler musste vor allem Vorbehalte im eigenen Lager abbauen, Schwan vor allem Ausstrahlung in das gegnerische Lager entfalten. Ist der Weltbanker nicht zu kalt für die Sozialstaats-Union aus CDU und CSU? Kann die rot-grüne Außenseiterin auch eine konservativere Klientel ansprechen?

Die Schwierigkeiten waren also ungleich verteilt: Köhler musste bloß Fehler vermeiden, Schwan Freunde dazugewinnen. Zur Halbzeit im Rennen von „Horst Wer“ gegen „Gesine Wow“ hat er sein Ziel erreicht und sie ihres verpasst. Union und FDP stehen fest zu ihrem Mann, die Frau von Rot-Grün hat kaum Unterstützung hinzugewonnen. Kurz gesagt: Er ist nicht so schlimm, wie von Kritikern befürchtet. Sie ist nicht so unwiderstehlich, wie von Sympathisanten erhofft.

Damit gibt es nur Verlierer. Schwan ist wohl gescheitert auf dem Weg ins Bellevue – und Köhler auf dem Weg in die Herzen der Deutschen ohne CDU-Parteibuch. Beide Kandidaten bemühten sich stärker, Bedenken abzutragen, als Kontur zu gewinnen. Verloren hat damit vor allem das Volk – und sei’s nur das Interesse. PATRIK SCHWARZ