„Nein“ zum Risiko Euro

Im Prinzip will Großbritannien in die Eurozone, lautet die Linie der Labour-Regierung. Aber dafür sei es noch zu früh, jetzt und wahrscheinlich bis 2006

aus Dublin RALF SOTSCHECK

Großbritannien sagt Ja zum Euro – jedenfalls irgendwann. Das war die Botschaft, die der britische Schatzkanzler Gordon Brown in seiner mit Spannung erwarteten Erklärung gestern Nachmittag im Londoner Unterhaus vermittelte.

Brown und Premierminister Tony Blair hatten seit Wochen um die Formulierung gerungen. Der eine, Brown, kann dem Euro zurzeit nicht viel abgewinnen, der andere, Blair, möchte lieber heute als morgen der gemeinsamen Währung beitreten. Die gesamte Labour-Partei ist in dieser Frage gespalten.

Herausgekommen ist deshalb ein typischer Labour-Kompromiss, der von beiden Flügeln im Kabinett abgesegnet werden konnte. Großbritannien ist noch nicht bereit für den Euro, sagte Brown. Drei der Kriterien, die er 1997 als Voraussetzung für den Beitritt aufgestellt hat, seien noch nicht erfüllt: Die Arbeitslosigkeit in der Eurozone ist zu hoch, die Flexibilität der Arbeitsmärkte zu gering, und vor allem sei die wirtschaftliche Konvergenz zwischen Großbritannien und den Euro-Ländern noch lange nicht erreicht. Lediglich beim Wechselkurs ist alles im Lot: Brown hatte 73 Pence für den Euro als Maßstab genannt, zurzeit liegt er bei 72 Pence.

Brown untermauerte seine negative Einschätzung mit Hilfe von Experten: Am Morgen hatte er 18 Bände mit insgesamt fast 2.000 Seiten vorgelegt, auf denen 50 Wirtschaftswissenschaftler ihre Einschätzung über Großbritannien und den Euro geben. Die meisten Experten argumentieren, dass es bei der „Flexibilität des Arbeitsmarktes“ sowohl in Großbritannien als auch in den anderen EU-Ländern noch viel zu tun gebe. „Darüber hinaus ist die Lohnflexibilität in den vergangenen Jahren noch längst nicht genügend ausprobiert worden“, heißt es in dem Dokument. „Die Fortschritte in den größeren EU-Ökonomien sind viel langsamer, und sie sind in einer viel schwächeren Position, was die Arbeitslosigkeit angeht.“ Die Experten warnen vor den Auswirkungen auf den Immobilienmarkt. Bei den Briten ist Hausbesitz viel stärker verbreitet als auf dem europäischen Festland, und die britischen Hypothekenzinsen sind variabel. Deshalb reagiert die britische Wirtschaft viel stärker auf Zinsänderungen, die nach einem Beitritt zum Euro jedoch von der Europäischen Zentralbank in Frankfurt festgelegt würden.

Für den europhilen Parteiflügel hielt Brown ein Trostpflaster bereit: Auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Blair – der ersten seit den Wahlen 2001 – werden beide heute eine „proeuropäische Kampagne“ starten und sich im Prinzip für die gemeinsame Währung einsetzen. Im Herbst soll eine Gesetzesvorlage veröffentlicht werden, die den Weg für ein Referendum über den Euro ebnen soll. Wann dieses Gesetz im Unterhaus eingebracht werden soll, wurde jedoch nicht bekannt gegeben. Ein Datum für ein Referendum gibt es erst recht nicht. Es ist kaum damit zu rechnen, dass es vor den nächsten Wahlen stattfinden wird, die spätestens im Juni 2006 abgehalten werden müssen.

Ähnliche Versprechungen hatten Blair und Brown bereits 1999 gemacht, als die Labour-Regierung ihren „nationalen Plan zum Euro-Beitritt“ vorstellte. Die Aufgabe ist für Blair seitdem nicht leichter geworden. Die Wähler sind der Einheitswährung gegenüber noch skeptischer als damals.

Außerdem ist das Vertrauen in Blairs Kompetenz bei wirtschaftlichen Fragen angeschlagen, seit vorige Woche bekannt geworden ist, dass Blair und Brown 1994 einen Pakt geschlossen haben. Brown versprach damals, Blair bei der Kandidatur für die Parteiführung zu unterstützen, im Gegenzug sicherte ihm Blair freie Hand bei der Wirtschafts- und Sozialpolitik zu. Am Donnerstag, wenn eine Regierungsumbildung ansteht, kann Blair aber noch ein kleines proeuropäisches Signal setzen und den Posten eines Europaministers schaffen.