Müntefering in der Machtprobe

SPD-Chef Müntefering arbeitet sich mit seinem Renommierprojekt Ausbildungsumlage voran: SPD-Vorstand und -Parteirat hat er hinter sich, Nordrhein-Westfalen signalisiert Enthaltung. Aber auch der grüne Koalitionspartner will noch nachbessern

AUS BERLIN ULRIKE HERRMANN

Nach tagelanger Kritik aus der eigenen Partei bekam SPD-Chef Franz Müntefering gestern endlich Zuspruch: Der SPD-Vorstand und der Parteirat sind dafür, eine gesetzliche Ausbildungsumlage zu verabschieden. Die SPD-Parteilinke Andrea Nahles war fast euphorisch. „Ich war überrascht, wie offensiv Franz Müntefering seine Argumente vertreten hat.“

Das war nicht unbedingt zu erwarten: Noch am Sonntagabend hatte sich Müntefering mit den SPD-MinisterpräsidentInnen getroffen, die der Ausbildungsumlage zum Teil sehr kritisch gegenüberstehen. Ergebnislos. Die LänderchefInnen aus Rheinland-Pfalz, Nordhrein-Westfalen und Schleswig-Holstein blieben bei ihrem Widerspruch. Kurt Beck aus Rheinland-Pfalz etwa will lieber einen „freiwilligen Fonds“ einrichten.

Dieser massive Widerstand schien das Gesetz zu gefährden: Es gilt zwar als nicht zustimmungspflichtig im Bundesrat – aber das Ländergremium kann Einspruch erheben. Würden nun durch SPD-Unterstützung zwei Drittel der Länder widersprechen, dann müsste der Bundestag diesen Einspruch ebenfalls mit einer Zweidrittelmehrheit zurückweisen. Das jedoch gibt die knappe rot-grüne Mehrheit im Parlament nicht her.

Zu diesem Showdown zwischen den SPD-LänderchefInnen und ihrem neuen Parteichef Müntefering dürfte es nicht kommen. Im Parteivorstand gab der SPD-Chef den MinisterpräsidentInnen den guten Rat, „dass sich die Länder schon mal auf das neue Gesetz einstellen sollten“. Aus Nordrhein-Westfalen kam bereits Entwarnung: Die Landesspitzen von SPD und Grünen signalisierten, dass sie im Bundesrat mit „Enthaltung“ stimmen.

Schon vor der Sitzung des Parteivorstands hatte sich SPD-Chef Franz Müntefering gestern siegessicher gezeigt: „Das Gesetz kommt auf jeden Fall.“ Anfang Mai soll es im Bundestag beschlossen werden – und zwar für ganz Deutschland. Von regionalen Ausnahmen hält der Parteichef nichts. „Wir sind für ganz Deutschland den jungen Menschen verpflichtet.“

Die SPD-Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein, Heide Simonis, hatte zuvor immer wieder betont, dass es in ihrem Land überhaupt keinen Lehrstellenmangel gebe. Doch schon aus taktischen Gründen scheiden Regionallösungen aus: „Dann wäre ja der Bundesrat zustimmungspflichtig“, erläuterte SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter gestern das strategische Spiel. „Das Gesetz wäre so direkt darauf angelegt, keine Mehrheit zu bekommen.“

Stattdessen wollen die Regierungsfraktionen die Landesbedürfnisse indirekt berücksichtigen: Laut Gesetz genießen Tarifvereinbarungen Vorrang – und da sie sowieso regional abgeschlossen werden, könnten sie auf die Ausbildungssituation vor Ort eingehen.

Wenn es nach Müntefering geht, wird es keine Sonderregelungen bei der Ausbildung zur Krankenschwester oder Erzieherin geben. Sie sollen ebenfalls in das Umlagesystem einbezogen werden, obwohl die Ausbildung hauptsächlich an Schulen stattfindet. „Sie können als gleichwertig angesehen werden“, beschied Müntefering. Die Grünen sind anderer Meinung. Ihre Fraktionschefin Krista Sager kündigte gestern an, dass der jetzige Gesetzentwurf „noch einmal sehr gründlich behandelt werden müsse“.

Bisher sieht das Gesetz vor, dass die Ausbildungsabgabe im Herbst fällig wird, falls die Zahl der offenen Lehrstellen die Zahl der Bewerber nicht um mindestens 15 Prozent übertrifft. Die Abgabe wird bei allen Betrieben erhoben, die mehr als zehn Beschäftigte und weniger als sieben Prozent Lehrlinge haben.

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