Kugelwippe statt Kolbenfresser

In einer ehemaligen Auto-Werkstatt in der Neustädter Sedanstraße betreiben Cläre Caspar und Kai Thies mit FreundInnen ihre Künstlerwerkstatt. Wer will, kann mitarbeiten oder ausstellen. Bisherige Projekte: Schaumschläger, Kunstharziges und das „Wohnei“ am Pusdorfer Strand

„Eine Mischung aus „konzentrierter Spurensicherung und unbefangener Improvisation“

Neustadt, Sedanstraße. Die KFZ-Werkstatt hatte schon vor Jahren dicht gemacht und stand lange leer. In den früheren Büroräumen und drumherum wohnen heute Leute, die Kunst machen: Kai, Bo und Cläre.

Auf dem sonnigen Kopfsteinpflaster-Hinterhof schlägt eine Plastik-Möwe mit den Flügeln. Ein gelbbrauner Hund schaut kurz aus einer Tür, dreht eine Runde auf dem Hof, schüttelt die großen Ohren und verschwindet wieder in der Wohnung. Auf dem Kopfsteinpflaster stehen: Eine noch nicht ganz zu Ende gebaute Wippe für Kinder, eine bunte Skulptur aus Pappmaché, Pflanzen, Blumen, eine Art Gartenhacke an einem drei Meter langen Stiel, ein Haufen Holz, halbkugelförmige Hauben aus Plexiglas.

Entlang den ehemaligen Bürogebäuden verläuft eine Laderampe. Denn ganz früher war hier mal eine Kohlenhandlung. Auf der Rampe frühstücken Cläre und ein tätowierter Typ mit „Iro“-Frisur. Und Kai wuselt auf dem Hof herum. Kai arbeitet an mehreren Projekten: Schaumschläger, Kunstharz-Eier und Kugelwippen stehen auf seinem Programm. Er braucht viel Platz für seine Objekte.

Die alte Autowerkstatt ist ein Glücksfall: Kai mietete erst nur einen kleinen Raum auf dem Gelände, aber die 80-Quadratmeter-Werkstatt kann er kostenlos nutzen: „Der Vermieter meinte: Macht einfach, was Ihr wollt.“ Nebenan zog die Modedesign-Studentin Cläre ein. Die alte Werkstatt – mit Hof und Büros sind es 400 qm – wird zum Kunst-Raum. Eine erste Ausstellung haben Cläre, Kai und Freunde vor ein paar Wochen organisiert, weitere sollen folgen.

Alltag in der Sedanstraße: Wo Bo steckt, weiß gerade keiner. Cläre hat einen Termin in der Stadt. Nur Kai hat Zeit, sich zu unterhalten. Im Moment arbeitet er an „Schaumschlägern“: Das sind mit Spüli gefüllte Plexiglas-Hauben. Aquarien-Motoren bringen das Spüli-Wasser-Gemisch zum Schäumen. Der Schaum quillt durch eine Öffnung in der Plexi-Haube. Die Ausstellungs-Besucher können den Schaum berühren und mit ihm spielen. „An einer Skulpur habe ich den Schaum auch rot gefärbt. ‚Das Herz des Iran‘ hab‘ ich sie genannt.“ Diese Objekte macht er für die Ausstellung „Betonköpfe und Schaumschläger“ in der Kulturwerkstatt Westend, zusammen mit Michael „Muck“ Kuzmick.

Für die Eröffnung der Schwankhalle im Herbst wird Kai eine Kugelwippe bauen: „So ähnlich wie ein Rhönrad, aber man steht nicht darin, sondern sitzt. Es gibt Haltegriffe für die Hände, und man kann die Wippe mit seinem Körpergewicht in alle Richtungen bewegen. Das Überkopf-Gefühl ist geil.“ Das aus Camembert-Schachteln gefertigte, eiförmige Modell für die Rhönrad-Kugelwippe liegt schon vor ihm auf dem Tisch, zusammen mit vier, fünf anderen Modellen für Objekte, die er plant. Und dann gibt es in Schwachhausen noch eine Galerie, da hätte er eine Idee für den geplanten Umbau...

Kai redet viel und schnell. „Ich habe ja diese Künstlerförderung. Da muss ich jetzt auch produzieren.“ Aber es scheint auch etwas Rastloses in ihm selbst zu sein. „Bewegung ist für mich wichtig. Ich bin viel unterwegs. Früher habe ich auch Sport studiert, außerdem Erziehungswissenschaften und Arbeitstechnik. Aber Lehrer werden, das war nichts für mich.“ Er lebte lieber im Bauwagen, arbeitete mit Kindern auf der Breminale („Das mache ich heute noch, das ist toll“) reiste nach Portugal und Brasilien.

Und 2001 erhielt er das Stipendium der Bremer Künstlerförderung, für drei Jahre. Er setzte ein „Wohnei“ auf den Pusdorfer Strand. Eine Mischung aus „konzentrierter Spurensicherung und unbefangener Improvisation“ bescheinigte ihm die Jury. „Das Stipendium war voll der Hammer“, meint Kai, „wo ich doch gar nicht Kunst studiert hab‘.“

Die Förderung erlaubt es ihm, einen Teil seiner Energie in die Weiterentwicklung der Künstlerwerkstatt in der Sedanstraße zu stecken. Im Sommer soll es auf dem Hof und in der Werkstatt Konzerte geben, Flohmärkte und Ausstellungen.

Aber nicht mal Kai will alles auf einmal und ganz alleine machen. Die Werkstatt-Bewohner suchen noch Leute, die mitarbeiten oder ausstellen wollen. „Also Leute, die ernsthaft was machen wollen! Nicht so larifari...“, wünscht sich Kai.

Katharina Müller

Wer in der Künstlerwerkstatt mitmachen will und nicht „larifari“ ist, mailt an Cläre Caspar: piouxieBou@web.de oder Kai Thies: kaithies@gmx.deDie Arbeiten von Kai Thies und Muck Kuzmick sind noch bis zu 6. Juli in der Kulturwerkstatt Westend (Waller Heerstraße) zu sehen