Kulturelle Integration

Die Psychologin Mirta Dedic-O’Beirne arbeitet mit Flüchtlingen und verteilt Tickets der Refugee Hotline

taz: Frau Dedic-O’Beirne, wie haben Flüchtlinge auf das Angebot der Hotline reagiert?

Mirta Dedic-O’Beirne: Am Anfang sehr misstrauisch. Sie haben sich lange mit uns unterhalten und gefragt „Was wollt ihr von uns?“ oder „Was müssen wir dafür tun?“

Warum dieses Misstrauen?

Flüchtlinge haben den Zusammenfall eines Rechtsstaates erlebt und Gewalt durch andere Menschen erfahren. Hinzu kommt der unsichere Status im neuen Land – solche Erfahrungen sind prägend. Nachdem einige unser Angebot getestet haben, hat es sich rumgesprochen, dass man uns vertrauen kann.

Welche Veranstaltungen kommen besonders gut an?

Kino und Musicals sind besonders beliebt. In Theatern fühlen sich Flüchtlinge, zum Beispiel aufgrund ihrer Kleidung, oft nicht so wohl oder befürchten, angesprochen zu werden.

Gibt es inhaltliche Kriterien bei der Auswahl der Stücke?

Eine thematische Zensur gibt es nicht. Abstrakte Theaterstücke, die zu modern und abgefahren sind, kommen allerdings nicht so gut an. Ebenso Vorführungen, in denen die Sprache dominiert.

Was prägt den Alltag der Flüchtlinge?

Ihr Leben dreht sich hauptsächlich um die Aufenthaltsgenehmigung. So lange sie kein geregeltes Bleiberecht haben, müssen sie alle zwei bis drei Monate auf die Ämter rennen, um ihre Duldung zu verlängern. Droht die Abschiebung, müssen Anwälte eingesetzt werden etc.

Ist die RTH dann überhaupt eine relevante Einrichtung?

Auf jeden Fall. Es gibt bereits Einrichtungen, die Beratungen und Therapien für Flüchtlinge anbieten, aber keine, die ihnen die Kultur des Aufnahmelandes näher bringt. Theater und Film nehmen einen wichtigen Teile der Kultur eines Landes ein. Die Ticket Hotline ermöglicht Flüchtlingen den Eintritt in die Gesellschaft, eine Art Integration in die kulturelle Gesellschaft Berlins.

Gibt es eine bürokratische Hürde für Flüchtlinge, die das Kulturangebot nutzen wollen?

Flüchtlinge in Berlin, die keinen gesicherten Aufenthalt besitzen, dürfen sich in einem Radius von 30 Kilometern ihres Heimes bewegen und können so alle Kultureinrichtungen, mit denen wir kooperieren, problemlos erreichen. Leute, die in Heimen außerhalb Berlins leben, können aufgrund der 30-Kilometer-Regel unser Angebot nicht nutzen.

Verläuft der Einlass mit den speziellen Hotline-Tickets immer reibungslos?

Es ist schon vorgekommen, dass die Leute an der Kasse nicht informiert waren und die Tickets der RTH nicht akzeptieren wollten. Das ist natürlich sehr unangenehm für die Flüchtlinge, die sich aufgrund der Sprachschwierigkeiten nicht zu helfen wissen. Gott sei Dank ist das nur einmal passiert. INTERVIEW: EKUA ODOI