vorlauf
: Viele, viele bunte Smarties

„Bei aller Liebe“ (Di.–Fr. 18.50 Uhr, ARD)

Freundlich unterstützt wird „Bei aller Liebe“ von den farbenfrohen Schokolinsen aus dem Hause Nestlé und genauso bunt und genauso smart möchten die handlichen 25-Minuten-Folgen auch daherkommen. Inklusive hipper Medienarbeitsplätze, alter Mercedes-Limousinen und Promiskuität auf einem Segelboot. Seit einer Woche nun läuft die zweite Staffel der Familienserie im Vorabendprogramm – der etwas anderen Familienserie, wie die öffentlich-rechtliche Öffentlichkeitsarbeit zu betonen nicht müde wird. Schließlich hätten „Patchwork-Familien wie die Borkmann-Hafers längst die geordnete Durchschnittsfamilie abgelöst“.

Nun bevölkerten Patchwork-Familien wie die Borkmann-Hafers bereits in den Achtzigerjahren die „Schwarzwaldklinik“ und die „Lindenstraße“. Ganz so neu sind die Lebensumstände also nicht, von denen uns das Erste da auf dem Sendeplatz von Lolles „Berlin, Berlin“ erzählt. Und doch passt „Bei aller Liebe“ ganz wunderbar in den umstrukturierten Vorabend der ARD. Bildet die Serie doch ein ästhetisches wie formales Scharnier zwischen „Eine glückliche Familie“ und „Marienhof“. Zwischen der traditionell bürgerlichen Vorabendserie also und der spätmodernen Daily Soap. Und das nicht nur, weil auch der notorische Siegfried Rauch, neben dem ebenso notorischen Walter Plate, zum Inventar gehört. Letzterer gibt einen Anwalt (!), der seine Ehefrau gleich mit deren Exmann (Staatsanwalt!!) und deren Liebhaber (Weltenbummler!!!) teilen muss. Ein doofe Geschichte ist das. Dass sie in „Bei aller Liebe“ auch noch ohne jegliches dramaturgisches Engagement erzählt wird, bleibt ein Ärgernis unter vielen.

Hafer-Tochter Anna scheitert derweil als Nachwuchsmoderatorin bei einem Musiksender, was metaphorisch für das Scheitern von „Bei aller Liebe“ stehen mag: „Ich war scheiße und Millionen Zuschauer in unserer Zielgruppe von 14 bis 29 haben das gesehen“, darf das verhinderte Sternchen da tatsächlich sinnieren. Eine wahrlich selbstreflexive Sentenz, die uns schon jetzt auf die Rückkehr von Lolle warten lässt. Oder auf eine Renaissance der „Drei Damen vom Grill“. CLEMENS NIEDENTHAL