Der Fiskus verdient wenig an Erbe

Steuern auf Erbschaften sind eine komplizierte und schwer zu durchschauende Angelegenheit. Eine aktuelle Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts ZEW zeigt aber, dass der Staat in anderen Ländern heftiger zugreift als in Deutschland

AUS HAMBURG HERMANNUS PFEIFFER

Die Erbengeneration kommt. Damit rechnet jedenfalls die rot- grüne Bundesregierung seit ihrem zweiten Amtsantritt im Oktober 2002. Damals setzte sie eine Reform der Erbschaftsteuer auf ihre Agenda. Seither ist das heikle Thema weitgehend in Vergessenheit geraten. Allerdings zu Unrecht, wie eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim zeigt.

Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern geht die Bundesrepublik mit Hinterbliebenen besonders kulant um. Lediglich 3,4 Milliarden Euro Erbschaftsteuer kassierte Bundesfinanzminister Hans Eichel 2003. Der Grund: Unternehmensvermögen und Grundbesitz werden weit unter Wert angerechnet, und es gibt hohe persönliche Freibeträge für Ehegatten und Kinder. Andererseits ist der tarifliche Steuersatz nach Auffassung des ZEW gegenüber anderen Staaten vergleichsweise hoch.

Die Wissenschaftler um den Ökonomie-Promi Wolfgang Franz haben genau nachgerechnet, was Erben wirklich zahlen. Wer ein „geringes Privatvermögen“ besitzt, laut Franz ein Einfamilienhaus oder dessen Gegenwert in bar, muss in Deutschland im internationalen Vergleich nur „geringe“ Steuern berappen, oft sogar überhaupt keine. Wer ein „großes Vermögen“ erbt, also im Millionenbereich, muss dem Fiskus relativ viel überweisen. Bei Ehegatten liegt Deutschland mit anderen teuren Vergleichsländern im unteren Drittel, vor allem, weil in acht Staaten Ehegatten null Erbschaft- oder Schenkungsteuer blechen müssen. Erben lohnt sich daher für Reiche besonders in Großbritannien, Irland, Dänemark, Schweden, in der Mehrzahl der Schweizer Kantone, in den USA, Japan und Luxemburg.

Ungleich billiger wird es jedoch bei richtigen Erbschaften, wenn also die Kinder erben. Bei einer nach Meinung der Mannheimer Forscher typischen Erbschaft im Wert von 340.000 Euro zahlt ein Bundesbürger effektiv nur 0,3 Prozent Steuern, selbst Schweizer müssen mehr berappen (rund 5 Prozent). Richtig teuer wird es in den Niederlanden (15) und Schweden (21).

„Je höher das Vermögen, desto mehr muss an das Finanzamt überwiesen werden“, sagt aber Mitautor Wolfram Scheffler von der Uni Nürnberg. Wer 2,5 Millionen Euro einstreicht, muss in Deutschland immerhin 19 Prozent Steuern bezahlen, in Japan jedoch 27, in Frankreich 33 und in den USA 43 Prozent. Die Wohlhabenden könnte Finanzminister Eichel daher durchaus als weitere Einnahmequelle entdecken.

Erbschaftsteuer musste bereits im antiken Rom bezahlt werden. Im 17. und 19. Jahrhundert setzte sie sich auch in den deutschen Kleinstaaten durch und blieb bis heute eine Steuer der Bundesländer. Fast alle Industrieländer erheben Erbschaftsteuer. In Deutschland unterscheidet das Erbschaftsteuer- und Schenkungsgesetz, kurz ErbStG, je nach Verwandtschaftsverhältnis zwischen drei Steuerklassen. Die Grenzen der nationalen Steuerpolitik bekommt der Bundesfinanzminister allerdings wieder einmal im Südwesten gezeigt. Die Schweiz begnügt sich mit 6 Prozent. Prominente, wie Theobald „Müllermilch“ Müller, werden von solchen Dumpingsteuern magisch angezogen. Allerdings hätte der selbst ernannte „Patriot“ (Müller) lieber ins Liechtensteiner Exil flüchten sollen – Fürst Hans-Adam II. verzichtet ganz auf Steuereinnahmen. Will die EU solchen vaterlandslosen Gesellen ans Portemonnaie, helfen höhere Steuersätze nur begrenzt, vielmehr müssen die Schlupflöcher gestopft werden.

In Deutschland tut sich eine Steuerlücke auf bei der Übertragung von Friseursalons, Autowerkstätten und Steuerberaterbüros. In solchen Fällen ist die Erblast hierzulande eher symbolisch (rund 4 Prozent), während anderswo der Fiskus ordentlich hinlangt (USA: 34 Prozent). Ähnlich steuerlos bleibt Eichel, wenn eine Kapitalgesellschaft, also eine GmbH oder Aktiengesellschaft, in neue Hände übergeht.