„Heute Wirtschaft, morgen Michael Jackson“

Journalismusexperte Christoph Moss vermisst Wirtschaftskompetenz in den Redaktionen kleinerer Medien

CHRISTOPH MOSS, 41, ist Professor für Unternehmenskommunikation an der ISM Dortmund und Buchautor.

taz: Herr Moss, wie hat der deutsche Wirtschaftsjournalismus die Finanzkrise bewältigt?

Christoph Moss: Man muss zwischen der Zeit vor und nach der Lehman-Pleite unterscheiden. Vor der Pleite hat es durchaus Medien gegeben, die auf die Gefahr eines Börsencrashs hingewiesen haben. Nicht flächendeckend, aber unter den Leitmedien wie Handelsblatt oder FAZ. Nach der Pleite sind dann alle Medien auf das Thema angesprungen, nicht alle haben ihre Aufgabe gut wahrgenommen.

Die eigentlichen Fehler wurden nach der Pleite begangen?

Die klassischen Wirtschaftsmedien in der Spitze haben ihren Job vorwiegend gut gemacht. Der größte Teil der Wirtschaftsjournalisten arbeitet aber bei Lokalzeitungen und Radio- und TV-Sendern. Die berichten nur sporadisch über Wirtschaft. Gerade bei Lokalzeitungen vollzieht sich eine sehr bedenkliche Entwicklung, denn eine ganze Reihe hat überhaupt kein Wirtschaftsressort mehr. Sie haben einen Newsroom, in dem es zwei oder drei Redakteure gibt, die sich heute um Wirtschaft kümmern und morgen um Michael Jackson.

Wie hat sich das ausgewirkt?

Nach der Lehman-Pleite wurden die Menschen vor allem durch Medien sehr verunsichert. Dabei wäre es besser gewesen, zu beruhigen. Die Fernsehberichterstattung habe ich als Katastrophe empfunden. Es entstand der Eindruck, als lebten wir in einer Welt, in der jeder um jeden Cent seines Ersparten fürchten müsste. Mit der Realität hatte das nichts zu tun. Solche Phänomene beruhen auf einem Herdentrieb unter den Journalisten. Hätte man nur einen Bruchteil der Energie statt in Panikmache in die Berichterstattung vor Ausbruch der Krise gesteckt, es wäre für alle Beteiligten besser gewesen. INTERVIEW: CHRISTIAN MEIER