Fahrradfahrer wollen ICE knacken

Mit flächendeckenden Protestaktionen in NRW wollen Radfahrer eine neue Offensive zur Freigabe des ICEs für Fahrräder starten. Unterstützung erhalten sie dabei von den Tourismusverbänden und Pro-Bahn: „Wir fordern ein lückenloses Netz“

VON SALVIO INCORVAIA

Fahrradclubs, Tourismus-und Fahrgastverbände fordern eine Freigabe der ICE-Züge für den Radtourismus. Der Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club (ADFC) hat angekündigt, in Bahnhöfen, Innenstädten und auf Radreisemessen zu protestieren. „Wir knacken den ICE. Bald wird das Fahrrad den Schnellzug zurückerobern“, sagt ADFC-Bundesvorsitzender Karsten Hübner. Die Deutsche-Bahn-AG (DB-AG) könne sich nicht den Wünschen ihrer Kunden entziehen. Hübner fordert: „Wir wollen die freie Wahl zwischen Bahn, Bus, Auto und Flugzeug haben.“

Einen Schwerpunkt der Protestaktionen wollen die Radler dabei auf Nordrhein-Westfalen legen. Die geplanten Frühjahrsaktivitäten sind Teil einer bereits 2002 begonnenen Protestkampagne. Unter dem Motto „Jetzt sind wir am Zug“ will der ADFC die Radmitnahme bis spätestens zum Jahr 2005 durchsetzen. Auf taube Ohren stoßen die Radaktivisten dabei bei der DB-AG: “Wir werden den ICE nicht öffnen“, sagt Jürgen Kugelmann, Sprecher der DB-AG in NRW. Die straffen ICE-Fahrpläne seien bei einer Mitnahme von Radfahrern nicht einzuhalten. Die Bahn habe in einer intensiven Modellstudie die Auswirkungen von Fahrradmitnahmen in ICE-Zügen untersucht, so Kugelmann: „Sobald schon kleinere Radfahrgruppe mitgenommen werden, verlängert sich die Haltezeit eines Zuges und die Weiterfahrt wird verzögert.“

Bis zum Winterfahrplanwechsel im Jahr 2003 hatte die DB-AG in einem Pilotprojekt die Mitnahmemöglichkeiten von Fahrrädern durch Fahrgäste auf der ICE-Linie zwischen Stuttgart und Zürich erprobt. ADFC und Fahrradtouristen setzten hoffnungsvoll auf das Modellprojekt. Doch den erhofften Auftakt zur flächendeckenden Einführung der Fahrradmitnahme im ICE bildete die Pilotstrecke nicht – im Gegenteil: Sie wurde im vergangenen Dezember wieder eingestellt.

Gleichzeitig wird ein Ausweichen auf IC-Strecken als Transportalternative für Radfahrer immer schwieriger: Zwar können Radtouristen bei längeren Reisen noch auf Fahrradabteile in den IC- oder Interregio-Zügen zurückgreifen. Doch da IC-Linien nach und nach durch neue ICE-Züge ersetzt werden, sinkt die Möglichkeiten der Fahrradmitnahme auf größeren Strecken.

Die Kritik der Radtouristen wird nun lauter: „Die Bahn baut ein Zwei-Klassen-Modell der Zugbeförderung in langsame und schnelle Züge auf und setzt zu isoliert auf den ICE“, sagt Justus Ilgner. Der Fahrradtourist glaubt, dass die DB-AG mit mehr Fahrradmitnahmemöglichkeiten mehr Kunden gewinnen könnte. Denn große Umwege und Zeitverluste möchte er nicht hinnehmen.

Zwar gibt es noch genügend IC-Direktverbindungen zwischen den größeren Städten. Doch Radtouristen müssen oftmals mehrmaliges Umsteigen in Kauf nehmen, besonders wenn kleinere Orte in der Provinz Ziel der Reise sind. Längere Fahrzeiten müssen so in Kauf genommen werden: Eine Verdoppelung der Fahrzeit ist nicht selten. Umwege und Zeitverluste für Radfahrer werden immer größer.

Schützenhilfe erhalten die Radfahrer dabei vom Fahrgastverband Pro Bahn: “Wir fordern für die Bahnkunden mit Fahrrad ein lückenloses Netz von IC- und ICE-Zügen“, sagt Hartmut Buyken, Sprecher von Pro Bahn. Das bisherige Angebot in den Zügen sei nicht ausreichend, zumindest solle ein Teil des ICE- Angebotes für Räder geöffnet werden. Der Fahrgastverband will die Kampagne des ADFC unterstützen. Und auch er will den Service rund um die Platzkartenreservierung verbessern.

Denn wer mit Bahn und Rad im Fernverkehr verreisen möchte, braucht spezielle Fahrradkarten mit Stellplatzreservierung. Diese sind jedoch oft schnell vergriffen. Besonders zu den stark frequentierten Fahrradsaisons im Frühling und Sommer ist die Nachfrage auf die vergleichbar wenigen Fahrradplätzen in den IC-Zügen besonders groß. Gleichzeitig schrumpft langsam das vorhandene Bahnnetz mit Fahrradmitnahmemöglichkeiten.

Noch sorgen für die Aufrechterhaltung dieses Netzes täglich 450 Züge in ganz Deutschland. Doch weist inzwischen das InterCity- und EuroCity-Netz für Radreisende immer größere Lücken auf. Abgelegenere Urlaubsregionen sind für Radtouristen kaum noch erreichbar. So fürchten nun auch die traditionellen Radurlaubsregionen eine Stagnation oder einen Rückgang des Tourismus und fordern die DB-AG zum Handeln auf.

“Die Sperrung der ICE-Linien für Radfahrer ist für den Radtourismus wirtschaftsschädigend. Die Züge sollen für Fahrräder geöffnet werden“, sagt Claudia Krieger vom Tourismusverband NRW. Die Radtourismusexpertin fürchtet einen Gästerückgang für Hotels und Gaststätten, die sich auf strampelnde Touristen ausgerichtet haben: Der Radtourismus sei ein steigendes Wirtschaftssegment in der Branche. Krieger sagt: „Die Leute verzichten eher auf den Radurlaub oder den Tagesausflug und steigen aufs Auto um, wenn die Bahnangebote nicht ausreichen vorhanden sind.“