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Klinik-Filz total krank

Gelder wurden jahrelang nach SPD-Parteibuch vergeben. Landesrechnungshof rügt Vorgänge in vier Fällen. Klinik-Papst Bruckenberger nicht korrupt

Hannover taz ■ Fördermittel in Millionenhöhe für Krankenhäuser sind in Niedersachsen jahrelang nach dem Parteibuch vergeben worden. Das rügt der Landesrechnungshof in seinem Prüfungsbericht zum Fall des Krankenhaus-Planers Ernst Bruckenberger. Der inzwischen in den Ruhestand geschickte „Klinik-Papst“ aus dem niedersächsischen Sozialministerium habe zwar ohne Genehmigung im Beirat von Klinikbetreibern gesessen, Vorträge gehalten und Bücher geschrieben, sagte Sozial-Staatssekretär Gerd Hoofe (CDU) gestern bei der Vorstellung des Rechnungshof-Berichts.

„Mehr oder weniger allein“ habe Bruckenberger zudem über Jahre hinweg regelmäßig Summen in Höhe von jährlich rund 20 Millionen Mark „nach nicht nachvollziehbaren Kriterien“ in einem „intransparenten Verfahren“ vergeben, rügte der Landesrechnungshof. Allerdings stellte die Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen Vorteilsnahme ein. „Wir haben keine Notizen über Absprachen mit den Betreibern gefunden“, kommentierte Oberstaatsanwalt Rainer Gundlach. Das Disziplinarverfahren gegen Bruckenberger laufe jedoch noch, betonte der Staatssekretär.

Brisanter sind die vier Fälle, in denen SPD-Politiker im damals SPD-geführten Sozialministerium Fördermittel durchdrückten. „Auf Grund politischer Einflussnahme“ sei es hier auch gegen die Voten des zuständigen Planungsausschusses „zu nicht sachgerechten Entscheidungen“ gekommen, kritisierte der Landesrechnungshof.

So ermauschelte der Lüneburger Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD) 1997 offenbar bei der Staatssekretärin im Sozialministerium, der heutigen Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD), mehr Landeszuschüsse für den Umbau der Klinik „als eigentlich erlaubt waren“, sagte Heinz Thörmer vom Landesrechnungshof. Nur so hätte die Klinik sich unter anderem eine Muschelkalkstein-Fassade statt Backstein erlauben können. Nur so konnten auch die Kosten von 23 auf 58 Millionen explodieren. Aus diesem Grund zerbrach 1997 auch die rot-grüne Koalition im Rathaus.

Auch bei den Geldern für die Chirurgie im Klinikum Hannover Nordstadt war es günstig, dass die Sache zwischen Genossen, Hannovers OB Herbert Schmalstieg und seiner Ehefrau, Sozialministerin Heidi Merk, ablief. Der Neubau habe das Klinik-Investitionsprogramm des Landes für das Jahr 2000 – etwa 100 Millionen Euro – fast vollständig blockiert, sagte Staatssekretär Hoofe. Auch der Ausbau der Geburtshilfe in Bad Gandersheim im Jahr 1999 soll mit Wohlwollen von SPD-Granden begleitet worden sein. Eigentlich hätte die Station, statt sie auszubauen, wegen zu wenig Entbindungen geschlossen werden müssen, kritisierte der Staatssekretär.

Kai Schöneberg

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