Beste Stimmung im Börsensaal

Weil „unsere Stadt“ zwar „ein Hit“, in Sachen Metropole aber noch Luft ist, schmiss die Handelskammer ein Meta-Event mit lecker Essen, Livemusik und Trinken bis zum Anschlag. Warum das alles, ist den meisten Anwesenden herzlich egal

von Peter Ahrens

Ist die Welt ungerecht? Nebenan drücken sich die Abgeordneten der Bürgerschaft in ihre Sessel und mühen sich an Kita-Gesetz und Roger Kusch ab. Hier dagegen brüllt es aus den Lautsprechern: „Let me entertain you“, blonde Frauen in langen Kleidern auf der Bühne, davor gut gelauntes Publikum mit erlesenem Wein in den Gläsern. Wenn die Parlamentarier genau hinlauschen, könne sie die Party wohl hören, die im Hinterhaus, der Handelskammer, gefeiert wird. Die Leute hier im Börsensaal haben Sushi auf dem Teller, während gleichzeitig die Abgeordneten hundert Meter weiter bestenfalls Kartoffelsalat auf ihre Gabeln schaufeln. Aber es geht hier in der Kammer nicht um Politik, es geht um Events, und das muss standesgemäß begangen werden.

Wie wird eine Metropole zum Erlebnis, fragt die Kammer mit ihrer gestrigen Veranstaltung und gibt sich selbst die Antwort. Indem man die gesammelten Caterer dieser Stadt aufbietet und den Besuchern die Möglichkeit gibt, stundenlang für lau zu essen und zu trinken bis zum Anschlag. Das soll selbstredend alles nur Rahmen sein für die Zielsetzung, die Präses Karl-Joachim Dreyer ausgibt: „Das etwas andere Gesicht dieser Stadt“ zu präsentieren. Und das heißt: lecker essen, Livemusik und ab und zu ein paar hehre Worte darüber, dass „unsere Stadt ein Hit ist“, wie Dreyer als Tagesparole ausgibt.

So dürfen die Soulisten Songs aus der Zeit darbieten, als auch Kammer-Geschäftsführer jung waren, und Event-Veranstalter Wolfgang Raike darf ausjubeln: „Freuen Sie sich auf eine rosige Zukunft!“ Zahlen, um das zu belegen, hat er zu seinem Vortrag auch mitgebracht: 35 Prozent der Hamburger Unternehmen setzen auf Events, um für sich und ihre Produkte zu werben, 20 Prozent des Werbeetats geht für solche Veranstaltungen jährlich drauf. Während die Gäste am Cocktailstand Schlange stehen, schiebt er noch betrübt nach, dass es „leider nicht mehr so gut um die Eventkultur steht wie noch 2001“. Da kam das Event „11. September“ und hat die Branche empfindlich zurückgeworfen.

Es muss also am Event-Standort gearbeitet werden, schließlich sind die Erlebniswelten fester Baustein in der CDU-geführten „Wachsenden Stadt“, und diesem Leitbild fühlt sich auch die Handelskammer verpflichtet. Also ist das Verspeisen der Currywurst von Schmidts Tivoli Teil der Wachsenden Stadt, das Trinken eines Holsten sowieso, und alle wirken an diesem frühen Abend eifrig daran mit. Allen voran Kammer-Geschäftsführer Reinhard Wolf, der minutenlang die Sponsoren herunterbetet und vom „beeindruckenden Geschehen“ schwärmt. Es ist ein Abend, der so tut, als habe es die Krise in der Medien- und Werbe-branche nie gegeben, als sei man noch in den Jahren um die Jahrtausendwende, als der Schampus in Strömen floss und alte Sprüche wie: „Geld spielt keine Rolex“ aufpoliert wurden. Währenddessen singen die Soulisten: „I am beautiful“ von Kristina Aguilera, und man hat das Gefühl, dass das viele im Saal denken.

Dann führt Dietrich von Albedyll, der Chef der Tourismus GmbH, noch mit einem verbalen Streifzug durch „die angesagtesten Locations der Stadt“, aber eigentlich ist das nicht nötig, da im Saal ohnehin fast nur Fachleute sind. Die kennen diese Orte genau, sie selbst betreiben sie.

Gefeiert wird bis weit in den Abend. Der „König der Löwen“ räkelt sich auf der Bühne, und Angie‘s Nightclub vom Reeperbahn-Kiez sorgt auch noch für Unterhaltung. Präses Dreyer stellt zu Beginn, noch am Nachmittag, die Frage: „Warum überhaupt diese Veranstaltung?“ Ein paar Glas Bier später sucht niemand mehr die Antwort – und hat sie damit schon gefunden.